Louisa Weinstein vom Conflict Resolution Centre in London hat sich dieser Frage genähert und 5 Gründe aufgezeigt, warum Mediation in Nachbarschaftskonflikten helfen kann.
Quelle: Neighbour disputes: 5 reasons mediation can help?
Die von ihr angeführten Gründe gelten nicht nur im Vereinigten Königreich, sondern können auch auf die Situation in Deutschland übertragen werden. Dabei muss man sich aber vergegenwärtigen, dass das englische Rechtssystem und das englische Gerichtsverfahrensrecht mit dem hiesigen kaum Gemeinsamkeiten bietet. Grundverständnisse, Verfahren und Zugänge zum Recht sind dort anders, als wie bei uns gewohnt. Dies spielt insbesondere dann, wenn die englischsprachigen Quellen sich über die Vorteile von Mediation gegenüber dem Gerichtsverfahren auslassen, eine nicht unerhebliche Rolle.
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Gleichwohl ist es im Nachbarschaftskonflikt so, dass ein solcher schnell eskalieren kann. Die Parteien haben täglich Gelegenheit dazu, den Konflikt neu anzuheizen. Die räumliche Nähe führt dazu, dass Verhaltensweisen zunehmend kritisch beäugt werden und zu „Gegenschlägen“ ausgeholt werden kann.
Hinzu kommt, dass die Konfliktparteien nicht nur während einer Verfahrensdauer, die sich auch bei schnellen Gerichtsverfahren durchaus in die Länge ziehen kann, abgesehen von der Möglichkeit, dass das Ganze noch in eine zweite Instanz geht, auf- und nebeneinander sitzen und sich gegenseitig aushalten müssen. Vielmehr wird diese Situation auf engem Raum solange aufrecht erhalten bleiben, bis eine der Parteien wegzieht.
Dabei muss man beachten, dass man vielleicht einen Prozess gewinnen kann, für sich genommen kann sich so etwas als Pyrrhus-Sieg erweisen, denn auf der anderen Seite sitzt einem nun ein Verlierer gegenüber. Das dient selten der Befriedung, sondern kann Rachegelüste eher befeuern, denn dämpfen. Der Sieg oder die Niederlage in einem Rechtsstreit kann hier eben nicht die Situation in Gänze befrieden, sondern eine Etappe in einem vielschichtigen Konflikt unter Rechtsgesichtspunkten entscheiden. Selbst ein Vergleich im gerichtlichen Verfahren bedeutet im ersten Moment, wenn dies nicht mit flankierenden Maßnahmen versehen wird, in der Regel nicht mehr als wie einen Burgfrieden.
Mediation dauert zwar auch seine Zeit, in der Regel können aber bei Verständigung auf das Verfahren kurzfristig erste Termine vereinbart werden, Folgetermine schnell un dunkopmpliziert abgesprochen werden.
Dabei ist wichtig, dass die erste Sitzung auch dafür da ist, die Parteien an ihren Positionen abzuholen, gleichzeitig aber auch Abrüstungsverhandlungen einzuleiten. Es geht nicht darum, einer Partei ein Fehlverhalten nachzuweisen, das sanktioniert werden muss. Es geht auch nicht darum, sich dem Gift eines Whataboutism hinzugeben und in die Eskalationsspirale einzusteigen. Schließlich muss auch nicht der schlimmste Part ermittelt werden.
Wichtig ist vielmehr, dass die Konfliktparteien an ihrer derzeitigen Situation abgeholt werden und zügig die wechselseitigen Bedürfnisse kommuniziert werden können.
Es geht im Kern darum, den Blick auf eine Zukunft des sich nebeneinander Ertragens zu öffnen. Dieser Blick nach vorne zunächst als Vision muss erst geöffnet werden, um den Bedürfnissen dann Ziel und Richtung zu geben.
Wenn dieser Prozess erst einmal eingeleitet ist, kann dies mit einem „Waffenstillstand“ unterstrichen werden.
Letztlich hat also Mediation das Werkzeug, einen Nachbarschaftskonflikt auch nachhaltig und in die Tiefe gehend zu bearbeiten. Dabei dürfte der erste Schritt zwar der schwerste sein, man sollte aber nicht warten, bis das Kind so tief in den Brunnen gefallen ist und eine Verständigung kaum noch möglich. Frühzeitige Krisenintervention hilft.
Schließlich geht es um die eigene Lebensqualität für die nächsten Jahre oder gar Jahrzehnte.