Kommunikation und Diskurskultur

Wer bestimmt den politischen Diskurs, der in den sozialen Netzwerken stattfindet? Diese Frage hat der „Tagesspiegel“ im Rahmen eines Vorabberichts zu einer TV-Doku aufgeworfen.

Diese schaut in die digitale Welt der „neuen rechten Medienmacher“ und fördert interessante Aspekte zutage:

Quelle: Neue rechte Medienmacher: Wenn Vögel tot vom Himmel fallen – Medien – Gesellschaft – Tagesspiegel

Im Prinzip geht es auch darum, wie Kommunikation im Internet funktioniert. Was macht diese neuen rechten Medienmacher so erfolgreich? Warum geraten hier Menschen schneller in bestimmte Fahrwasser?

In meinem Aufsatz im Sammelband zur Cyberkriminologie hatte ich geschrieben, dass in der digitalen Welt eine Besonderheit zu beobachten ist: Während die analoge Kommunikation vielschichtig angelegt ist, also Körpersprache, Tonfall, Lautstärke und ähnliches eine wichtige Rolle im Kommunikationsprozess spielen, findet die digitale Kommunikation in der Regel nur schriftlich statt, wenn man von Sprachnachrichten als Kommunikationsmittel einmal absieht.

Auf diese Thematik bezogen heißt dies, dass es in der Digitalen Medienlandschaft nicht nur darum geht, wie Informationen bereitgestellt werden, sondern vielmehr darum, wie sie geteilt, viral verbreitet und kommentiert werden. Meist reichen schon Teaser zu einer Botschaft aus, um die Verbreitung zu fördern. Dabei genügen diese eindimensionalen Kommunikationsmerkmale aus. Ein vielschichtiger Austausch über die Inhalte findet seltenst statt.

Dieser online zu beobachtenden schriftlichen Äußerungen entbehren die übrigen Merkmale in der analogen Welt.

Vermutlich auch aus diesem Defizit sind Emojis in der digitalen Welt so wichtig geworden.

Selbst wenn sich jemand die Mühe macht und die Weiterverteilung mit einem eigenen Kommentar oder Hinweis versieht, kommt aber ein weiterer wichtiger Punkt dazu:

Diese schriftlichen Äußerungen können nicht mit dem Briefeschreiben in der analogen Welt gleichgesetzt werden. Während auch hier keine Möglichkeit besteht, die nonverbale Kommunikation zu übermitteln, ist im Digitalen eine eine sprachliche Beschränkung zu beobachten.

Gedanken werden in der Regel wenig ausgeführt, sondern präsentiert.

Die Begrenzung der Zeichenzahl (etwa in Twitter) verlangt nach Vereinfachung. Differenzierte Auseinandersetzungen mit einem Thema sind daher auf den diversen Plattformen eher selten zu finden. Diese Rahmenbedingungen begünstigen im Zweifelsfalle nicht nur eher einen Normverstoß, als dass sie ihn verhindern können. Dies führt insgesamt zu einer Vereinfachung und Verflachung der Debatte insgesamt.

Und es gilt noch ein Weiteres: Selbst wenn verstärkt auf die Löschung solcher Inhalte gedrängt würde, wäre dies im Ergebnis eher zweifelhaft:

Im Kontext einer Haltung, die sich einer vermeintlichen „System- und Lügenpresse“ entgegenstellt, muss das Löschen geradezu als Bestätigung für die Richtigkeit der – nunmehr gelöschten – Behauptung aufscheinen (s. a. Kap. „Hate Speech in der Computerspielkultur“ im Sammelband zur Cyberkriminologie von Sonja Gabriel). Und genau dieses wiederum kann dann in den Filterblasen der Sozialen Medien viral verbreitet werden.

Die Verarmung echter Interaktion zwichen Menschen in Folge der Corona-Krise hat daher die Tür zu den digitalen Anfälligkeiten weit geöffnet. Persönlich erfahrene Unsicherheiten, die aus dem Mangel an sozialer Interaktion während der Beschränkungen herrühren, wurden im Netz nicht nur vielfach ähnlich mitgeteilt, sondern bildeten in der Folge auch Anker für Erklärungsansätze, die mit der Kommunikation von zuständigen Behörden und/oder in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und den klassischen Printmedien nichts zu tun hatten.

Diese wiederum folgen einem einfachen Muster: Weil es so einfach nicht sein kann, wie erklärt wird, ein einfaches Virus zu banal ist, um das Ganze um einen herum zu erklären, muss es mehr geben: Bei dieser Gelegenheit wird alles diskreditiert, was an nachvollziehbaren Informationskanälen existiert: Die Regierung(en) – Marionetten, die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten: Staatsfunk (und damit Sprachrohr der Marionetten), die Printmedien: Lügenpresse.

Statt dessen: Sich selbst aufheizende Filterblasen, die die irrlichterndsten Theorien zu immer neuen Ansätzen verschmelzen, die aber eines gemeinsam haben: Sie dienen denen, die diese rechten Ansätze befeuern und unterstützen.

Zu beobachten bleibt: die Relevanz digitaler Medien und sozialer Netzwerke hat in der Corona-Krise erheblich zugenommen, die Medienkompetenz und die Kritikfähigkeit der Internetnutzer*innen offensichtlich nicht in dem Maße. Darin liegt die eigentliche Gefährlichkeit für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Gemeinwesen.

Veröffentlicht von Roland Hoheisel-Gruler

Volljurist// Mediator // Dipl. Forstwirt (univ.)//Hochschullehrer

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