Wie darf die Polizei in sozialen Medien kommunizieren? Von Falschmeldungen, Dienstvorschriften und Gerichtsurteilen handelt ein Beitrag aus dem Grundrechte-Report, dem echten Verfassungsschutzbericht, der von Michael Lippa, Rechtsanwalt aus Berlin, auf netzpolitik.org erschienen ist:
Quelle: Grundrechte-Report 2020 – Polizeiliche Falschnachrichten auf Social Media
Dabei geht der Autor in den von ihm genannten Beispielen von Falschmeldungen auf polizeilichen twitter-Accounts aus, die in der Netzgemeinde und darüber hinaus für einiges an Aufsehen gesorgt haben.

Problematisch ist in diesem Zusammenhang nicht nur die Tatsache, dass hier Sachverhalte in die Öffentlichkeit gegeben wurden und welche sich dort viral verbreiteten, die nicht mit den objektiven Umständen in Übereinstimmung zu bringen waren. Problematisch ist hier auch, dass über diese Medien sich eine Falschmeldung nicht oder kaum mehr einfangen und korrigieren lassen kann. Während eine Pressemitteilung an einen bestimmten Adressatenkreis sich noch mit einer nachgebesserten Version wieder einfangen lässt, ist ein tweet oder ein Facebook-Post, wenn er mal losgelassen, nicht mehr aufzuhalten. Schließlich ist es ja gerade Sinn und Zweck, dass sich solche Mitteilungen nicht nur in Windeseile durch liken und teilen weiterverbreiten, sondern dass diese auch mit Kommentaren versehen, in einen Kontext eingebettet weitergegeben oder als Quelle für andere Mitteilungen herangezogen werden. Daraus folgt, dass dann das bloße Löschen des Ausgangspostings seinerseits wegen der Kommentare, Einbettungen etc. nur ein bedingt befriedigendes Ergebnis zeitigen könnte. Auch ist wegen der Asynchronität der Kommunikation nicht gewährleistet, ja, sogar unwahrscheinlich, dass hier einer Richtigstellung die selben Menschen erreichen könnte, wie das Ausgangsposting.
Hinzu kommt ein Weiteres: Wer sich im Social-Media-Becken aufhält, will nicht nur auffallen, nein der muss das auch. Instagram als digitales Fotoalbum hat nicht ohne Grund gigantische Reichweiten: Es zählen nicht nur die Worte, die Inhalte transportieren, es zählen zunehmend die Bilder, die eine Botschaft verkörpern.
Dies ist oftmals nur schwer mit den Anforderungen, die an ein objektives Informationshandeln der Polizei gekoppelt werden kann. Es muss klar sein: Hier agiert der Staat und seine Organe – und das auch und gerade eben auf Kanälen, in denen andere Spielregeln zu herrschen scheinen.
Das ist für die Referate der Öffentlichkeitsarbeit eine große Herausforderung: Sachlich informieren, aufklären, Distanz wahren – und gleichzeitig die Chiffren, die in diesen Medien geläufig sind, selbstverständlich zu verwenden.
Meist wird das Social-Media-Engagement der Polizei unter dem Stichwort „Reichweite“ kommuniziert: Es ist leicht und daher auch gern gesehen, wenn man mit wenigen Klicks nicht nur viele Menschen erreichen kann, sondern diese auch dafür sorgen, dass die einmal in die Welt gesetzte Nachricht sich von alleine weiter verbreitet. Das ist insbesondere bei Gefahrenlagen ein unverzichtbares Element einer guten und verlässlichen Informationsarbeit.
Voraussetzung ist natürlich, dass dies gut gemacht und auch verstanden wird – deswegen ist der Einsatz von Chiffren, Wordings, Bildern, GIFs, Hashtags u.v.m. auch in solchen Situationen unverzichtbar.
Das allein reicht aber nicht aus:
Kommunikation ist keine Einbahnstraße – und Social Media muss, wenn es gut und nachhaltig betrieben wird, immer und in erster Linie gerade auf diese Kommunikation setzen: Das bedeutet, dass es eben nicht reicht, eine Nachricht in die Welt zu setzen, sondern es bedarf einer großen Aufmerksamkeit, wie diese Nachricht aufgenommen und kommuniziert wird, wie darauf reagiert wird und wie dann – im Interesse der Information und Aufklärung – letztlich damit umgegangen wird.
In diesem Zusammenhang muss die Rückleitung von Information auch gewährleistet sein – die Sichtbarkeit und Ansprechbarkeit ebenso wie die sichere Umgebung, in der das stattfindet. Gegebenenfalls muss die vertrauliche Rückmeldung einfach und sicher zu handhaben sein.
Social Media und Polizei ist daher eine höchst herausfordernde Angelegenheit – Information und Kommunikation auf vielen unterschiedlichen Ebenen und in unterschiedlichen asynchronen Zeitachsen.
Dazu kommt dann auch das dringende Erfordernis einer Sensibilität dafür, wo die Grenzen polizeilicher Informationsarbeit liegen. Gerade im Digitalen liegt die Verführung nahe, schnell und übertrieben bei der Hand zu sein. Die Zeichenbeschränkung für Postings tut ein Übriges, anstelle einer ausführlichen Erklärung zu verknappen, zu vereinfachen und damit – vielleicht auch unbewusst – Dinge zu verfälschen.
Immer muss man sich aber bewusst sein: Man ist nicht Marktteilnehmer*in in einem digitalen Wettbewerb des Sehen-Und-Gesehen-Werdens, man ist kein Influencer, man ist kein Meinungsmacher oder Meinungsbildner. Man steht vereinfacht gesagt, was die Grundrechtsgewährleistungen angeht, auf der anderen Seite: Man ist grundrechtsverpflichtet. Und das bedeutet, jegliches staatliche Informationshandeln ist an den Grundrechten zu messen. Unerlässlich sind demnach die Gebote der Richtigkeit, der Sachlichkeit, der Angemessenheit als Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne und der staatlichen Neutralität.
Falschmeldungen – seien sie aufgrund oberflächlicher Faktenüberprüfung, Übertreibung, Voreiligkeit oder bewusst vorgenommen, schädigen nicht nur nachhaltig den Ruf der Polizei als eine Institution, auf die man sich verlassen kann und können muss, sie sind auch schlichtweg im Ergebnis rechtswidrig, weil sie ohne die Möglichkeit eines rechtfertigenden Grundes in die Grundrechte der Betroffenen eingreifen. Darüber hinaus sind Sachlichkeit und Neutralität angesichts der Kommunikationsgepflogenheiten im Digitalen oftmals schwer einzuhalten. Schließlich muss bei der Interaktion in threads auch in schwierigen Kommunikationssituationen der richtige Ton beibehalten werden können, selbst wenn es hier mitunter schwer fallen dürfte.
Insgesamt ist und bleibt das Social-Media-Engagement eine große Herausforderung – und harte Arbeit. Rechtsstaatlich einwandfrei und trotzdem spannend und attraktiv zu sein, neutral und sachlich zu bleiben und dennoch sichtbar – und präsent auch als Kommunikationspartner in einem schwierigen Umfeld.