Die DPolG hat eine Seite mit der Domain „polizei-wertschaetzen.de“ ins Netz gestellt.

In einer Slidebar äußern sich uniformierte Polizist:innen so:
„Wertschätzung kann man spüren!“ – und im Untertitel: „Überzogenes Misstrauen und ungerechte Anfeindungen sind nur schwer zu ertragen“ nach der Feststellung, dass die Polizei oft viel Dankbarkeit erfahre und auch mit Kritik umgehen könne.
„Respekt haben wir verdient!“ – wonach die Polizei einen respektvollen Umgang mit ihr erwarte. Schließlich stünde man auch dazu, dass dies ein Schlüssel für ein friedliches Miteinander sei.
Der Polizist Dirk H. führt dazu weiter aus: „Respekt ist keine Einbahnstraße!“ mit der Subbotschaft, dass, wer nicht dazu bereit sei, Respekt gegenüber der Polizei zu zeigen, selbst ein Teil des Problems sei.
„Wertschätzung will ich sehen!“ – ist eine weitere Botschaft. Hier geht es dann auch um gerechte Einkommen und angemessene Arbeitsbedingungen. Im gleichen Atemzug werden auch „verdiente Anerkennung“ und „echte Solidarität“ genannt.
Weil Wertschätzung kein Luxus sei, erwartet der fünfte in der Reihe nicht nur anständiges Einkommen, sondern auch Rückhalt der politischen Führung.
Diese fünf Schlaglichter, die die Gewerkschaft bei ihrer Kampagne selbst gesetzt hat, zeigen deutlich auf, worin die Probleme liegen. Sie transportiert ein Verständnis von „Polizei“, das einem demokratischen Rechtsstaat nicht angemessen ist.
Warum ist das so, wenn doch Wertschätzung und Respekt eigentlich Werte sind, die nicht im Verdacht stehen, den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu gefährden.
Aber gerade darin liegt das Problem: Die Menschen, die in den Uniformen stecken, sind tatsächlich ein Teil der Gesellschaft. Sie bilden nicht, wie gerne kolportiert wird, die Gesellschaft ab – aber das ist ein anderes Problem. Diese Menschen haben wie alle anderen, die in unserem Land leben, jeder einzelne für sich, einen Anspruch darauf, dass ihre Rechtsgüter in Ruhe gelassen werden, dass sie vom Staat und seinen Organen respektvoll behandelt werden und dass ihnen für das, was sie leisten, auch mit Wertschätzung begegnet wird.
Die Institution Polizei aber ist nicht ein „Teil der Gesellschaft“ – sie ist ein Teil der staatlichen Organisation. Wenn nun für einen Teil der Exekutive Respekt und Wertschätzung eingefordert wird – und es geht nicht um die Menschen, die hier ihren Job machen, sondern um das Amt, das sie bekleiden – dann atmet hierin ein obrigkeitsstaatlicher Geist.
Polizei im demokratischen Rechtsstaat unterscheidet sich genau an diesem Punkt von Sicherheitsbehörden in einem Schurkenstaat: Das Grundgesetz bindet das gesamte polizeiliche Handeln an die Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht. Das bedeutet, dass jede:r einzelne Polizist:in aus Gründen unserer Verfassung nur dann rechtmäßig handeln kann und darf, wenn er sich in diesem vorgegebenen Rahmen bewegt. Das ist aber zwangsläufig eine Einbahnstraße: Das Grundgesetz kann nur die Träger:innen staatlicher Gewalt binden. Die Menschen, die in diesem Land leben, haben die in den Grundrechten garantierten Freiheiten auf ihrer Seite. Diese können und dürften im verfassungsgemäßen Rahmen beschränkt werden. Diese Schranken wiederum finden sich in den Gesetzen und den darauf basierenden Rechtsverordnungen. Verstöße hiergegen können sanktioniert werden.
Im modernen Rechtsstaat stehen sich Grundrechtsträger:innen und Grundrechtsverpflichtete einander gegenüber. Die Austarierung dieses Verhältnisses nehmen die zuständigen Gesetz- und Verordnungsgeber vor. Dies geschieht wiederum – der Gewaltenteilung sei Dank – in dem bereits skizzierten Rahmen von Art. 1 Abs. 3 GG, der unmittelbaren Grundrechtsbindung und Art. 20 Abs. 3 GG, dem Rechtsstaatsprinzip.
All dies hat weder mit Respekt oder Wertschätzung zu tun: Für die Polizist:innen folgt der Umgang mit den Menschen aus einer Haltung, die in diesen Menschen nicht nur ein Neutrum („das PGÜ“) sieht, sondern individuelle Grundrechtsträger:innen, bei denen jedem/jeder Einzelnen eine unantastbare und unverwechselbare individuelle Menschenwürde zukommt. Das ist mehr als nur Respekt und Wertschätzung.
Das Argument, dass auch Polizist:innen Grundrechte haben, wird an dieser Stelle gerne gebracht, ist aber falsch: Die Grundrechte verpflichten nur den Staat und seine Organe (und nur in Ausnahmefällen im Wege der mittelbaren Drittwirkung auch Private). Damit fällt aber auch das Argument der „Einbahnstraße“. Die Menschen sind gerade nicht zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet – auch wenn man sich das vielleicht wünschen würde. Wie sehr vergiftet dieses Argument ist, zeigt sich aber auch daran, dass damit eine Spirale eröffnet wird: Aus dem Anspruch auf Wechselseitigkeit wird leicht ein Selbstverständnis von Waffengleichheit und damit eine Legitimationsmodell für die Anwendung von Gewalt. Wer respektvoll und wertschätzend auftritt, hat nichts zu befürchten, wer nicht, braucht sich nicht zu wundern.
Letztlich ist die Verknüpfung der gleichgerichteten Forderung an Politik, öffentliche Arbeitgeber:innen und Bürger:innen falsch:
Während die Polizist:innen den Menschen als Träger:innen öffentlicher Gewalt auftreten und sich der Staat deren Handeln aus genau diesem Grunde zurechnen lassen muss, sind die öffentlichen Arbeitgeber:innen – und Dienstherren – eben ein Teil dieser staatlichen Organisation. Hier treten die Polizist:innen aber im Innenverhältnis gerade nicht als Träger:innen öffentlicher Gewalt auf, sondern ihrerseits als Menschen, die mit dem Staat in einem besonderen Näheverhältnis stehen, sei es als Tarifbeschäftigte, Auszubildende oder eben als Beamt:innen. Die Slideshow der DPolG hatte übrigens nur Vollzugsbeamt:innen gezeigt gehabt. Hierbei spielt entweder ein zivilrechtliches Arbeitsverhältnis eine Rolle, das sich gänzlich nach den Regeln des Arbeits- und Tarifrechts abspielt, oder ein Dienstverhältnis, das mit besonderen wechselseitigen Treue- und Fürsorgepflichten einhergeht.
Die Austarierung dieser Verhältnisse findet im Rahmen von Tarifverträgen (für die Tarifbeschäftigten) oder in der Umsetzung von entsprechenden gesetzlichen Regelungen für die jeweiligen Beamt:innen statt. In den diesen Regelungen vorangehenden Verhandlungen sind Respekt und Wertschätzung aber nichts mehr als Begrifflichkeiten, die je nach Interessenlage von der einen oder anderen Seite für sich beansprucht werden und mit jeweils eigenen Definitionen aufgeladen werden. Praktisch anfangen kann man dabei – außer Stimmung zu machen – nichts.
Zum Abschluss noch zwei Nebenaspekte, die auf dieser Seite immer wieder aufscheinen und viel miteinander zu tun haben:
Da ist zum Einen die TBL – die thin blue line – die eine Polizistin auf einem Foto am Handgelenk trägt und zum anderen die eingeforderte „echte Solidarität“, die gerne mit dem Begriff der „Polizeifamilie“ umschrieben wird.
Dieses blaue Armband symbolisiert die dünne Grenze zwischen „Gut“ und „Böse“, zwischen denen, die man schützt und denen, vor denen geschützt werden muss. Träger:innen dieses blauen Armbands geben zu erkennen, dass sie es sind, die diese Grenze verteidigen. Diese Linie – sinnbildlich für die Polizei – verkörpert daher einen Anspruch, dem die Polizei im demokratischen Rechtsstaat nicht gerecht werden kann: Denn es ist leider so, dass das Gewaltenteilungsprinzip den Gerichten die Entscheidung darüber zugewiesen hat. Polizei sorgt nunmal eben nicht für „Gerechtigkeit“ – sondern sorgt allenfalls dafür, dass eine unabhängige Justiz über einen Sachverhalt zu urteilen vermag, sei es verwaltungsrechtlicher oder strafrechtlicher Art.
Die „echte Solidarität“ nun, die verlangt wird, zeigt ein Verlangen danach, ein besonderes und inniges Zusammengehörigkeitsgefühl zu entwickeln. Dies führt leicht zum nächsten Schritt, der bedingungslosen Solidarität. Das gilt nicht nur in der Polizei und den Dienstgruppen untereinander, sondern auch im Auftreten gegenüber dem Dienstherrn. Die negativen Folgen im polizeilichen Kontext von eingeforderter falscher Solidarität sind hinlänglich bekannt. Die in der Diskussion stehenden Gegenmittel werden aber gerade von der DPolG bekämpft und verteufelt.
Die Aktion ist vielleicht ja gut gemeint. Sie ist aber mindestens schlecht gemacht. Bestenfalls offenbart sie ein Weltbild und ein Verständnis von Polizei, das obrigkeitsstaatlich und autoritär geprägt ist. Ein solches Verständnis ist aber mit einem pluralen und offenen, demokratischen Rechtsstaat kaum zu vereinbaren.