Eine lesenswerte Zusammenfassung der aktuellen Lage liefert Matthias Friehe im Verfassungsblog.
Er konstatiert, dass der Streit um eine zentrale Weichenstellung für die Konstituierung der digitalen Öffentlichkeit weitestgehend unbemerkt vor den Landgerichten ausgefochten werde.

Quelle: Soziale Netzwerke in der Grundrechts-Klemme? – Verfassungsblog
Dabei geht es zum zweierlei: Auf der einen Seite der Kampf gegen die Verbreitung von Hass und Hassbotschaften und Falschnachrichten, der im Wesentlichen von betroffenen Menschen geführt wird, die Opfer von solchen Kampagnen werden. Auf der anderen Seite steht die Gefahr, dass die Internetkonzerne durch Sperranordnungen ein sogenanntes Overblocking betreiben könnten – also ihrerseits genehme und nicht genehme Postings in ihrem Sinne voneinander scheiden könnten.
Der Streit wird deshalb vor den Zivilgerichten ausgetragen, weil es nur bedingt um die Fragen der Meinungsfreiheit in der digitalen Welt geht. Hier stehen sich nämlich nicht grundrechtsverpflichtete staatliche Organisationen grundrechtsberechtigten Menschen gegenüber, die zum Einen ihr Recht auf Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung ebenso zu verteidigen haben wie ihr Recht darauf, selbst Teil an diesem öffentlichen Diskurs zu sein oder aber vom Staat verlangen können und dürfen, dass sie in ihrer persönlichen Integrität vom Staat gegen verbale Angriffe geschützt werden. Problematisch auf einer anderen Ebene ist das Verbreiten von Falschnachrichten und Fake-News. Die Grundrechtsdimension ergibt sich nämlich nicht aus einem zu behauptenden Recht, auch Falschnachrichten verbreiten zu dürfen. Zu Recht ist die offensichtliche Lüge keine Meinung, die kundgetan werden kann und darf. Die Verbreitung solcher offensichtlicher Lügen gefährdet daher den Zusammenhalt und das Grundvertrauen in das freiheitliche und demokratische Miteinander und in das Funktionieren der Garantien des friedlichen Zusammenlebens.
Weil es sich nun aber um Wirtschaftsunternehmen handelt, die mit den SocialMedia-Plattformen Geld verdienen, kommen sie als Grundrechtsverpflichtete nicht in Betracht. Allenfalls die Lehre der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte kann dazu führen, dass gegebenenfalls die Nutzungsbedingungen im Lichte der Grundrechtswirkungen betrachtet werden müssen – und dies sowohl im Hinblick auf die Abwehrfunktion gegen Overblocking als auch im Hinblick auf die Schutzfunktionen, und da in beide Richtungen: Sowohl, was den Persönlichkeitsschutz Betroffener als auch den Äußerungs- Kenntnisnahme- und Diskursschutz auf der anderen Seite betrifft.
Der Weg aus dieser Klemme scheint vorgezeichnet. Friehe sieht den Persönlichkeitsschutz unter dem Blickwinkel der zivilrechtlichen Störerhaftung aus § 1004 BGB und § 823 BGB als gewichtiger an, als ein etwaiger Schutz an Debatten-Teilhabe.
Damit verkehrt sich die öffentlich-rechtliche Grundrechtsbindung unter zivilrechtlicher Betrachtung in ihr Gegenteil: Bei der unmittelbaren Grundrechtsbindung staatlicher Gewalt aus Art 1. Abs 3 GG und Art. 20 Abs. 3 GG genießt nach dem Grundsatz „in dubio pro libertate“ der Schutz der Freiheiten ein größeres Gewicht als die dem Staat auferlegte Schutzpflichtendimension für die Rechtsgüter der einzelnen Menschen.
Es bleibt also spannend.
mehr zum Thema habe ich hier aufgeschrieben.