10 Jahre Istanbul-Konvention

Heute vor 10 Jahren wurde das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt – besser bekannt als Istanbul-Konvention von 13 Mitgliedsstaaten des Europarats unterzeichnet.

Allerdings ist es auch so, dass Deutschland zwar zu den Erstunterzeichner:innen gehört, selbst diesen völkerrechtlichen Vertrag aber erst am 12.10.2017 ratifiziert hat. Das Gesetz zur Istanbul-Konvention ist in Deutschland dann erst zum 01.02.2018 in Kraft getreten. Dazu hat die Bundesrepublik in zulässiger Weise Vorbehalte beim Sekretariat angemeldet. Diese beziehen abweichende Regelungen in der Anwendbarkeit des materiellen Strafrechts sowie im Aufenthaltsrecht, wobei die Bundesrepublik hier einen gleichwertigen Schutz durch die anders gelagerte innserstaatliche Rechtslage angeführt hat.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist auch heute – 10 Jahre nach Unterzeichnung – ein Thema, das leider nichts an seiner Brisanz verloren hat. Im Gegenteil: Die Studien, Statistiken und Erfahrungsberichte aus den Beratungsstellen zeigen, dass gerade die Corona-Pandemie zu einer Verschärfung der Lage geführt hat.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen, dass es nicht reicht, das Strafrecht zu schärfen oder auf die Möglichkeiten des Gewaltschutzgesetzes zu verweisen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Opfer häuslicher Gewalt eines besonderen Schutzes bedürfen, weil die soziale Nähebeziehung zwischen Opfern und Tätern und die hieraus erwachsenden Abhängigkeiten einer längerfristigen Problemlösung entgegen stehen können.

Für wichtig halte ich, dass Frauen und Mädchen in verschiedensten Formaten fit gemacht werden, um Anzeichen von Gewalt schon erkennen zu können und rechtzeitig auch zuverlässig Hilfe in Anspruch nehmen zu können, ohne selbst Schamgefühle oder Rechtfertigungsdruck zu spüren.

Hinzu kommt ein Weiteres: In den letzten 10 Jahren hat sich die Digitalisierung des Alltagslebens rapide entwickelt. Damit ist auch die Möglichkeit der Ausübung sexualisierter Gewalt über digitale Kommunikationsmöglichkeiten geradezu explodiert. Auch hier gilt es, durch geeignete Präventionsmaßnahmen Medienkompetenz und Resilienz zu entwickeln und zu fördern.

Das alles kostet – logischerweise – sehr viel Geld. Im Ergebnis wird es aber darum gehen, auch gesamtgesellschaftlich einen Grundkonsens darüber herzustellen, wo und wie geschlechtsspezifische Benachteiligung beginnt und wie eine solche Benachteiligung schnell in ein Über- Unterordnungsverhältnis im sozialen Nahbereich münden kann, von wo aus es nur noch wenige kleinste Schritte bis zur Ausübung und Erfahrung von Gewalt sind.

Veröffentlicht von Roland Hoheisel-Gruler

Volljurist// Mediator // Dipl. Forstwirt (univ.)//Hochschullehrer

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