Johan Galtung hat vor nun schon etwas mehr als fünf Jahren einen Text veröffentlicht, in welchem er die Idee einer Police-Mediation entwickelt. Auch wenn der Text schon älter ist, lohnt es sich dennoch, darüber nachzudenken.
Quelle: TRANSCEND MEDIA SERVICE » Police Mediation: An Idea Whose Time Has Come
Interessant ist allemale sein Ansatz, wonach sich Polizei und Militär aus der Entwicklung der Territorialstaaten in der beginnenden Moderne entwickelt hätten.

Dabei hätten beide eine ähliche und gemeinsame Geschichte: Das Militär sollte das Staatswesen gegen Übergriffe von außen schützen, die Polizei nach seiner Schreibart die Eliten vor Übergriffen des gemeinen Volkes. („The role of the police was to protect elites against theft and violence by the people..“).
Darin steckt zumindest schon der Ansatz eines Gefahrenabwehrbegriffes, wie er sich später aus den Aufgaben der „Polizey“ entwickelt hat.
Bedenkenswert ist auch, dass Galtung davon schreibt, dass beide Institutionen, Polizei nach innen und Militär nach außen, mit der Anwendung von Gewalt befasst seien und diese auch ermöglichen würden.
Man kann und darf die Ideen Galtungs kritisieren und seine Schlüsse für zu kurz greifend halten. In einem Punkte aber lohnt es sich, weiterzudenken:
Wenn wir die Grundannahme stehen lassen, dass das Bedürfnis nach innerer und äußerer Sicherheit eine gemeinsame Wurzel in der Entwicklung der Nationalstaaten haben und feststellen, dass die Erfahrungen mit militärischen Auseinandersetzungen der Diplomatie einen sehr wichtigen Stellenwert beigemessen haben, dann kann man sich durchaus die Frage stellen, ob und wie polizeiliches Handeln nicht auch diesem Paradigmenwechsel folgen können sollte.
Richtig ist, es gibt immernoch kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Staaten, es gibt auch failed states, in denen Bürgerkriege herrschen – und es gibt militärische Auseinandersetzungen in Ländern, die als Stellvertreterkriege von ausländischen Mächten geführt werden.
Der Grat für die These Galtungs ist also ein schmaler: Und auch hier, wenn man nun die Erfolge des Verhandelns und Aushandelns in der Außenpolitik auf die innere Sicherheit herunterbrechen will, muss weiter differenziert werden:
Zu Beginn aller Überlegungen muss der Konsens stehen, dass die Rechtsetzung in einem Gemeinwesen durch einen demokratisch legitimierten Gesetzgeber erfolgt. Die Legitimation der Normen folgt daher dem Grundkonsens und der Verständigung über Regeln des Zusammenlebens der Menschen in einem Gemeinwesen. Die Gesamtheit dieser Normen gehört mit den Individualrechtsgütern und den Gemeinschaftsrechtsgütern sowie den auf diese Grundannahmen aufbauenden staatlichen Einrichtungen zu den Schutzgütern, die zu schützen der Staat und seine Einrichtungen verpflichtet ist. Dies ist die zweite Säule dieses Gesellschaftsvertrages: Neben der Legitimation der Rechtsetzung gehört hierher auch die Übertragung des Gewaltmonopols und damit der Verzicht darauf, das Recht in die eigene Hand zu nehmen, zu den Grundlagen eines gewaltfreien Zusammenlebens. Die dritte Säule dieses Konsenses muss die Gewaltenteilung sein: Die Trennung zwischen denen, die das Recht setzen und denen, die es ausführen ist elementar. Die Kontrolle hierüber bedarf der Unabhängigkeit. Das sind zwar allesamt Gemeinplätze, dürfen aber nicht zur Disposition stehen, wenn über hoheitliches Handeln weitergedacht wird.
Dann muss dahingehend differenziert werden, ob Gefahren, die sich gegen diese Schutzgüter richten, abgewehrt werden müssen – oder ob normabweichendes Verhalten zur Disposition steht.
Soweit es um Gefahrenabwehr gehen kann, sind die Ansätze, hier frühzeitig mediativ anzusetzen, durchaus zu begrüßen. Das ist immer dann von Vorteil, wenn sich diese Gefahren aus unterschiedlichen Positionen heraus entwickeln, also aus individuellen oder kollektiven Lebenssituationen, die Entscheidungsmöglichkeiten vorhalten können und über die noch Verfügungsmöglichkeiten bestehen. Solches wird schon in vielfältiger Art und Weise gemacht. Die Herausforderung besteht hier, dass die Interessengegensätze in einem Setting, auf dem sich Staat und Private treffen, ausageglichen werden müssen und die Möglichkeit, dass der Staat als Inhaberin des Gewaltmonopols auch die Mittel in der Hand hält, Maßnahmen auch einseitig durchsetzen zu können, solange nicht als Handlungsoptionen auf den Tisch kommen, solange die Chance auf eine Konfliktlösung besteht. Je dringender aber eine Gefahr ist, umso geringer ist die Chance, dass dies auf kommunikativem Wege gelingen kann.
Gerade im Bereich der „häuslichen Gewalt“ ist es nicht nur angezeigt, gegebenenfalls durch das Aussprechen eines Wohnungsverweises sich der Staat hier schützend vor die Schwächeren in diesem Konflikt zu stellen. Die Regelung des Konflikts zwischen den Parteien kann dann im Nachhinein mediativ gelingen, muss es aber nicht, wenn aufgrund der konkreten Situation Machtgefälle, Abhängigkeiten etc. dagegen sprächen.
Wenn es um die Frage der Sanktionierung normabweichenden Verhaltens geht, besteht hier eher eine Chance, abseits von Strafen in die Zukunft gerichtet auch Möglichkeiten zu entwickeln: Der Täter-Opfer-Ausgleich bietet hier eine gute Möglichkeit, den öffentlichen Strafanspruch zurücktreten lassen zu können. Aber wenn es um diese Fragen geht, ist aber dann nicht mehr polizeiliche, sondern justitielle Mediation gefragt: Das ist eine Folge der Gewaltenteilung. (s.o.)
Die Beispiele, die Galtung für gelungene Mediation anführt, sind indes nicht kleinzureden: Aber sie gehen von einem Bild von Polizei aus, das zumindest antiquiert scheint: Gefahrenabwehr durch Ingewahrsamnahme, Vermischung und Verwischung der polizeilichen Aufgaben. Daraus folgt, dass auch hier ein moderneres Verständnis von Polizei sich erst einmal Bahn brechen muss.
Am Ende bleibt aber auch: Das Ideal einer Bürgerpolizei unterscheidet sich durchaus von dem Bild einer technisch hochgerüsteten Polizei. Es braucht eben beides: Die Konfliktlots:innen, die für die Menschen im Viertel, im Kiez, in der Reihenhaussiedlung, auf dem Dorf etc. da sind, die Ansprechpartner:innen sein können und die befähigt sind, konfliktlösungsunterstützend wirken zu können – und auf der anderen Seite aber auch die staatliche Gewalt, die notwendig ist, um bei entsprechenden Gefahren- und Einsatzlagen technisch und personell auch befähigt zu sein, in solchen Lagen bestehen zu können.