Kinderpornographie: Fast 40% der Tatverdächtigen sind Kinder und Jugendliche

Lügde und Münster oder Staufen im Breisgau, zuletzt die Darknet-Plattform „boystown“ – wenn es um sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche geht und der Missbrauch an ihnen auf Bildmaterial im Netz geteilt wird, ist der Ruf nach harten Gesetzen und härtesten Strafen unüberhörbar.

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Die „Polizeiliche Kriminalprävention des Bundes und der Länder“ mit Sitz in Stuttgart hat jetzt darauf hingewiesen, dass 40% der Verdächtigen einer Straftat nach § 184b StGB Kinder und Jugendliche seien:

Der leitende Landespolizeipfarrer Ev.Kirche im Rheinland hat in oben zitiertem tweet daher zu Recht darauf hingewiesen, dass dringend massive Aufklärung und Prävention gefragt seien.

Hinzu kommt, dass bei den von Kindern und Jugendlichen geteilten Inhalten es sich nicht nur um Abbildungen sexualisierter Gewalt handelt, sondern auch freizügige Selfies von Klassenkamerad:innen durchaus die Tatbestandsmerkmale des § 184b StGB erfüllen könnten:

§ 184b Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte
(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer 1.
einen kinderpornographischen Inhalt verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht; kinderpornographisch ist ein pornographischer Inhalt (§ 11 Absatz 3), wenn er zum Gegenstand hat: a)
sexuelle Handlungen von, an oder vor einer Person unter vierzehn Jahren (Kind),
b)
die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung oder
c)
die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes eines Kindes,
2.
es unternimmt, einer anderen Person einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, zugänglich zu machen oder den Besitz daran zu verschaffen,
3.
einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches Geschehen wiedergibt, herstellt oder
4.
einen kinderpornographischen Inhalt herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 oder 2 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen, soweit die Tat nicht nach Nummer 3 mit Strafe bedroht ist.
(2) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, und gibt der Inhalt in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1, 2 und 4 ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(3) Wer es unternimmt, einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, abzurufen oder sich den Besitz an einem solchen Inhalt zu verschaffen, oder wer einen solchen Inhalt besitzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(4) Der Versuch ist strafbar; dies gilt nicht für Taten nach Absatz 1 Nummer 2 und 4 sowie Absatz 3.
(5) Absatz 1 Nummer 2 und Absatz 3 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der rechtmäßigen Erfüllung von Folgendem dienen: 1.
staatliche Aufgaben,
2.
Aufgaben, die sich aus Vereinbarungen mit einer zuständigen staatlichen Stelle ergeben, oder
3.
dienstliche oder berufliche Pflichten.
Absatz 1 Nummer 1 und 4 gilt nicht für dienstliche Handlungen im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, wenn 1.
die Handlung sich auf einen kinderpornographischen Inhalt bezieht, der kein tatsächliches Geschehen wiedergibt und auch nicht unter Verwendung einer Bildaufnahme eines Kindes oder Jugendlichen hergestellt worden ist, und
2.
die Aufklärung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
(6) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Nummer 2 oder 3 oder Absatz 3 bezieht, werden eingezogen. § 74a ist anzuwenden.

Hier gilt es, vielschichtig an die unterschiedlichen Akteuere heranzutreten. Sowohl das Teilen als auch das Speichern von solchem Material auf einem Schüler:innen-Handy ist ja nicht nur strafbar, sondern der Umstand, dass das geschieht, ist auf ein vermutlich geringes Unrechtsbewusstsein dieser Kinder und Jugendlichen zurückzuführen. Dabei ist aber der Umgang mit Sexualität und sexualisierter Gewalt nur ein Punkt – es geht darüber hinaus wesentlich um Medienkompetenz und Kommunikationskompetenzen, die diesen Kindern und Jugendlichen nicht nur vorgelebt, sondern auch adäquat vermittelt werden müssen. Da haben aber auch Eltern und Schulen Defizite, die schnellstmöglich aufgeholt werden müssen.

Nur so lässt sich verhindern, dass Ermittlungskapazitäten auf Schulhöfen eingesetzt werden müssen und die betroffenen Kinder und Jugendlichen durch das Erleben eines Strafverfahrens mit dem Vorwurf Täter:in eines Verbrechens zu sein, belastet werden.

Eine solche Strafverfolgung hilft niemandem: Nicht den Strafverfolgungsbehörden, die damit nicht den Sumpf der Kinderpornographie trocken legen können, nicht den betroffenen Kindern und Jugendlichen, denen die Diskrepanz zwischen Schwere des Tatvorwurfs und altersbedingter Einsichtsfähigkeit in den Unrechtsgehalt eigenen Tuns einer präventiven und erzieherischen Wirkung im Wege stehen würde – und auch nicht den Opfern, die auf den geteilten Inhalten zu sehen sind, weil hierdurch kein Missbrauchsfall verhindert werden wird.

Veröffentlicht von Roland Hoheisel-Gruler

Volljurist// Mediator // Dipl. Forstwirt (univ.)//Hochschullehrer

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