Cyberstalking: Wenn die Polizei empfiehlt, unterzutauchen

Cyberstalking ist die Verlagerung des Phänomens des Nachstellens in das Internet. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet über eine Reportage im Ersten. Diese zeigt auf, warum es so schwierig sei, die Täter dingfest zu machen.

Dies weist nicht nur auf tatsächliche Probleme, dass die Opfer ihre Peiniger:innen nicht zweifelsfrei identifizieren können, sondern auch darauf, dass die Sensibilität für diese Form der Nachstellung und die personelle und organisatorische Ausstattung hier noch der Verbesserung bedürfen.

Quelle: Reportage über Cyberstalking: Wenn die Polizei empfiehlt, unterzutauchen

Der Umstand, dass seitens der Polizei, wie in der Reportage berichtet wird, ernsthaft angedacht wird, den Opfern anzuraten unterzutauchen, ist durchaus bedenkenswert.

Das Gewaltschutzgesetz, das nunmehr vor annähernd 20 Jahren geschaffen wurde, soll eigentlich hier auch den zivilrechtlichen Schutz der Opfer vor tatsächlicher wie auch virtueller Gewalt bieten können. Das Gesetz verfolgt dabei den Ansatz, dass das Recht dem Unrecht nicht weichen solle – und dass die Lebensumwelt des Opfers dadurch geschützt wird, dass dem Täter oder der Täterin es durch Schutzanordnungen verunmöglicht werden soll, in die geschützte Sphäre des Opfers einzudringen.

Daneben ist die Strafbarkeit des Nachstellens in all seinen Formen – auch die virtuellen – unbestritten. Es kommt nur darauf an, die Täter:innen tatsächlich zu ermitteln und deren strafbares Handeln gerichtsfest nachweisen zu können.

Die Reportage weist auch auf ein Phänomen hin, das als „broken web“ beschrieben wird: Die Abwesenheit einer sichtbaren und wirksamen anerkannten Ordnungsmacht führt dazu, dass Regelbrüche und Grenzüberschreitungen aufgrund der Nichterwartung von möglichen Sanktionen leichter in Betracht gezogen werden können.

Gleichwohl ist entgegen der Aussage des zitierten Polizisten auch das Internet eben kein (grund-)rechtsfreier Raum, auch wenn die Rechtsdurchsetzung hier um einiges erschwert scheint.

Dabei bedarf es keiner weiteren Befugnisse wie der Vorratsdatenspeicherung, um hier tätig werden zu können: Es geht darum, dass genügend Ressourcen zur Verfügung stehen, personell und organisatorisch und entsprechend ausgebildet, um den Opfern entsprechenden Schutz zukommen zu lassen.

Die Opfer brauchen beides: zivilrechtlichen Schutz, den das Gewaltschutzgesetz gewähren soll – und strafrechtlichen Schutz, durch Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte. Außerdem ist auch im virtuellen Raum die niedrigschwellige Beratung und Betreuung von Cyberstalking-Opfern verbesserbar.

Das Signal, das von der Reportage ausgesendet wird – nämlich dass die Opfer auf sich selbst gestellt seien – ist fatal und lädt dazu ein, das Leben der Opfer im virtuellen Raum und damit auch in der realen Lebensumwelt weiter zu beeinträchtigen.

Ich habe im Sammelband zur Cyberkriminologie, der von Thomas-Gabriel Rüdiger und Petra Saskia Bayerl herausgegeben wurde, einen Aufsatz mit dem Titel „Das Internet ist kein (grund-)rechtsfreier Raum“ veröffentlicht.

Veröffentlicht von Roland Hoheisel-Gruler

Volljurist// Mediator // Dipl. Forstwirt (univ.)//Hochschullehrer

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