Kinderporno-Razzia: Durchsuchungen bei jungen Allgäuern – Codes und Kommunikation unter Heranwachsenden

Wegen der Verbreitung von Kinder- und Jugendpornografie hat die Polizei im Allgäu 21 kürzlich Wohnungen durchsucht. Strafbar macht sich nämlich bereits, wer solche Dateien etwa auf dem Smartphone herunterlädt. So war ein Beschuldigter zum Tatzeitpunkt erst zwölf Jahre alt, berichtete der Bayerische Rundfunk.

Quelle: Kinderporno-Razzia: Durchsuchungen bei jungen Allgäuern | BR24

Das ist eine Meldung, die vor Kurzem Aufsehen erregt hatte.

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Mir geht es nun nicht darum, auf ein Neues die strafrechtliche Seite dieses Phänomens zu beleuchten. Auch soll die Frage nicht darauf gerichtet sein, ob und wie diese jungen Menschen zu bestrafen seien, ob die Strafmündigkeit herabgesenkt werden sollte oder ähnliches.

Zu diesem Themenkomplex habe ich viele interessante Debatten auf twitter führen können – und bedanke mich an dieser Stelle auch nochmals herzlich für den Input und die Gedankenanregungen.

Wie in dem oben zitierten Tweet angekündigt, möchte ich daher noch etwas zu den Codes näher ausführen. Dafür ist gerade das Beispiel aus dem Allgäu gut geeignet, denn es geht über das Verteilen und Konsumieren von pornographischen Inhalten hinaus. Einschränkend möchte ich allerdings auch anmerken, dass die nachstehenden Ausführungen auf eigenen Beobachtungen und Erfahrungen aus meiner beruflichen Tätigkeit beruhen und nicht stringent wissenschaftlich fundiert und untermauert sind. Ich habe daher nicht extra Studien zum Zwecke dieses Textes gesondert herangezogen und jede Aussage wissenschaftlich fundiert oder gar mit Fußnoten versehen. Die Aussagen sind daher höchst diskutierbar (und idealerweise auch dann diskussionswürdig, zumindest gebe ich der Hoffnung Ausdruck, dass ihnen soviel Würde auch tatsächlich zukommen möge)

Kinder und Jugendliche an der Schwelle zur Pubertät und in der Pubertät müssen mit sich und den körperlichen Veränderungen, die sie an sich entdecken, zurecht kommen. Das muss der Ausgangspunkt sein, wenn wir darüber sprechen, warum und weshalb ausgerechnet diese Gruppe ein besonderes Augenmerk in Bezug auf Kinderpornographie erhalten soll. Gleichzeitig reift auch die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit und damit auch das Hinterfragen des Sinns und Unsinns von Ge- und Verboten.

In der Zusammenschau mit der eigenen körperlichen Entwicklung und der eigenen Sexualität auf der einen Seite und der Konfrontation mit Tabus, Geboten und Verboten entsteht hier zunächst einmal ein Bedürfnis, diese Erfahrungen messbar und einordnenbar zu machen und zu gestalten. Ein solches gelingt in der Regel mit dem Abgleich des eigenen Erlebens mit dem anderer. Dafür werden aber dann andere Kinder und Jugendliche aus der selben Altersgruppe und zum Vergleich auch Ältere und – tatsächlich oder vermeintlich – erfahrenere herangezogen und in diesen eigenen Lernprozess involviert.

Hier beginnt nun aber die Frage nach den verwendeten Codes: Wenn hier zwischen den Jugendlichen kommuniziert wird, dann muss dies in einer Form geschehen, die auch verstanden wird – sowohl auf der sendenden als auch auf der empfangenden Seite, damit der Rückkanal dann auch entsprechend bedient werden kann. Bei Fragestellungen, die ihrerseits noch mit wenig eigenem tatsächlichem Erleben auf der einen Seite, großer Neugier auf der anderen Seite angefüllt sind, wie es bei solchen, die die Sexualität betreffen, die Regel ist, bedarf es daher bestimmter Codes, die diese Lücken auszufüllen in der Lage sind.

Dieser Grundsatz wird dann überwölbt mit dem Geheimnisvollen, das aus der tabisierten Sexualität herrührt: Wenn die obige Annahme stimmt, dass es hier um ein Themengebiet geht, dass die Jugendlichen in ihrer eigenen Körperlichkeit und Persönlichkeit zutiefst selbst berührt, eigene Erfahrungen hier zum Abgleich fehlen und ihrerseits auch in der Lebensumgebung diese Thematik mit Tabus umgeben ist, dann erhöht sich hier auch die Neugierde und das Bestreben, mehr davon zu kennen und aufzunehmen.

Daraus folgt nun, dass die geteilten kinderpornographischen Inhalte auch in diesem Kontext gesehen und gelesen werden müssen. Das weist über die – aus der Erwachsenenwelt herrührenden – Ächtung des Verhaltens als auch der Inhalte – hinaus. Der Reiz des Verbotenen ist hier nur ein Punkt, der diesen Ansatz versanden lässt.

Eine weitere Annahme, warum die Kommunikation über Sexualität unter Jugendlichen sich auch überproportional kinderpornographischer Codes bedient, könnte auch darin liegen, dass die Altersklasse der dort gezeigten Opfer mit der der jugendlichen Konsumenten und Teilenden nahe beieiander liegt und schon allein aus dem Grunde die Inhalte vom eigenen Erfahrungshorizont näher liegen als – auch und vielleicht sogar leichter zu erreichender – Erwachsenen-Pornographie.

Bei den inkriminierten Inhalten geht es um Macht. Machtausübung, Gewalt, Gewaltdarstellung im Zusammenhang mit Sexualität und sexueller Erfahrung. Das sind Themen, die Jugendliche in ihrem Reifeprozess selbst am eigenen Leib erfahren und kommunizieren wollen.

Die Analyse hier ist nicht einfach – und vor allem ist es keine Entschuldigung für das – strafbare – Verhalten dieser Jugendlichen. Für eine effektive Bekämpfung dieses Phänomens im Interesse einer vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten müssen daher nicht nur belehrende Inhalte, Ge- und Verbote sowie sittliche Anstands- und Moralvorstellungen vermittelt werden, sondern insbesondere Möglichkeiten gesucht und gefunden werden, wie diese Jugendlichen über die ihnen offensichtlich wichtigen Themen multimedial kommunizieren können, ihre Geheimnisse für sich selbst behalten – und gleichzeitig aber nicht in die Verlegenheit geraten, sich solcher inkriminierter Inhalte zu bedienen.

Veröffentlicht von Roland Hoheisel-Gruler

Volljurist// Mediator // Dipl. Forstwirt (univ.)//Hochschullehrer

Ein Kommentar zu “Kinderporno-Razzia: Durchsuchungen bei jungen Allgäuern – Codes und Kommunikation unter Heranwachsenden

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