Kinderrechte ins Grundgesetz? Ja, aber richtig

die GroKo hatte es im Koalitionsvertrag vereinbart gehabt: Kinderrechte sollten ins Grundgesetz kommen.

Voraussetzung hierfür: eine verfassungsändernde Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Die Legislatur ist nun fast vorbei, das Projekt „Kinderrechte ins Grundgesetz“ ist gescheitert. Was nun begonnen hat, ist die übliche Orgie der Schuldzuweisungen. Beachtlich dabei, dass auch die Koalitionäre mit dem Finger aufeinander zeigen und nicht nur mit Bedauern darauf verweisen, dass die fehlenden Stimmen aus den Oppositionsparteien am Scheitern schuld seien.

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Soweit beklagt wird, es mangele nicht an Verfassungsrecht, sondern an aktiver Politik, die die Kinder stärker in den Blick nimmt, so sei darauf hingewiesen, dass gerade dieser Befund zeigt, dass „die Politik“ nicht in der Lage ist, ohne die verfassungsrechtliche Einhegung tatsächlich wirksam für die Kinder handeln zu können. Weil „die Politik“ – gemeint ist in der verkürzten Darstellung, wie sie in der Debatte gebraucht wird, der demokratisch legitimierte Gesetzgeber und die Exekutive – unmittelbar über Art. 1 Abs. 3 GG und mittelbar über Art. 20 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden sind, vermag erst eine entsprechende Absicherung im Grundrechtekatalog, die Prioritäten in der Tagespolitik zugunsten der Kinderrechte, deren Beteiligungsrechte, deren Bildungschancen, deren Zukunft zu verschieben.

Maßgeblich muss sein, dass, wenn Kinderrechte ins Grundgesetz geschrieben werden sollen, dies auch eine effektive Verbesserung der rechtlichen Stellung der Kinder mit sich bringen würde. Bloße Staatszielbestimmungen, auch die Interessen der Kinder zu wahren und im Übrigen darauf zu verweisen, dass auch Kinder Träger:innen von Grundrechten seien, reicht dabei nicht aus.

Die Bundesrepublik Deutschland ist Vertragsstaat der UN-Kinderrechtskonvention. Deutschland hat das Dokument 1992, damals noch mit Vorbehalten, ratifiziert. Pikanterweise war es bei dem Vorbehalten darum gegangen, einen Vorrang des Ausländerrechts zu reklamieren – wonach also auch Kinder aus Deutschland abgeschoben werden können sollten. Nach Rücknahme der Vorbehalte 2010 hat die Konvention nun also den Rang eines Bundesgesetzes.

Gleichwohl ist zu überlegen und zu prüfen, wie Kinderrechte nachhaltig im Grundgesetz verankert werden können, ohne dass dies eine bloße Absicht wiederspiegelt. Hier muss es um die Abwägung von grundrechtlichem Schutz auf der einen Seite gehen, wenn es darum geht, Kinder besonders vor staatlichen Eingriffen zu schützen – und die Gewährleistung echter Teilhaberechte. Während bei den Abwehrrechten die Rechtspositionen der Kinder sich noch aus den allgemeinen Grundrechten ableiten können, besteht gerade bei den Gewährleistungsrechten ein Nachholbedarf.

Es geht um die Bekämpfung der Kinderarmut, die verfassungsrechtlich abgesichert werdn muss. Auch die Bildungschancen, die keineswegs für alle Kinder gleichartig sind, lassen sich über Art. 3 GG nachhaltig verbessern. Kinder bedürfen eines besonderen Schutzes: Dies zeigt sich gerade beim Schutz vor sexueller und sexualisierter Gewalt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zum Klimaschutz besonders herausgehoben, dass die nachfolgenden Generationen hier schon mitgedacht werden müssen, wenn auch die Freiheitsrechte nachhaltig geschützt werdn sollen: Aktuell geht es aber auch darum, gerade die Kinder beim Schutz vor Schadstoffen ebenso zu schützen wie bei einer kindgerechten Stadt-und Verkehrsplanung. All dies ist verfassungsrechtlich abzusichern. Das hatte der Entwurf der Koaliton nicht im Blick gehabt – schade.

Dabei würde sich der Kinderschutz organisch sehr gut in den bestehenden Art. 6 GG einfügen lassen. Das Schutzziel „Kinder“ könnte gleichberechtigt neben „Ehe und Familie“ gestellt werden.

Art. 6 Abs. 2 GG bildet bislang das Verhältnis zwischen Elternrechten in der Erziehung und dem staatlichen Wächteramt ab: Hier sind die Kinder nach derzeitiger Verfassungslage nicht Subjekte, sondern Objekte der Abgrenzung zwischen Elternrecht und staatlichem Interventionsrecht. Um die Entwicklung der Kinder auch verfassungsrechtlich zu begleiten, sollten hier nach Alter und Reifegrad daher auch eigene verfassungsrechtliche Positionen der Kinder in dieses System eingebracht werden. Richtig ist hierbei, dass dies nicht ohne Relativierung des Elternrechtes einhergehen kann. Aber: Kinder sind nicht das Eigentum ihrer Eltern. Auch ist hierbei nicht gesagt, dass dies automatisch zu einer Verschiebung zugunsten staatlicher Eingriffsbefugnisse in die Familien führen wird. Die verfassungsrechtlich eigenständige Rechtsstellung der Kinder ist an dieser Stelle der Hebel für wirkliche Schutzmaßnahmen.

Entscheidend wäre aber, dass in Art. 6 auch eine Regelung gefunden wird, die den Kindern einen echten Anspruch auf Förderung einräumt. Entsprechend dem Alter und der Reife sollte es möglich sein, das Wohl und Wehe der Kinder nicht ausschließlich dem Schicksal zwischen Vermögen und Unvermögen von Eltern und staatlichen Einrichtugen anheimzustellen, sondern ihnen gerade an den Stellen, wenn es um die eigene Entwicklung und Zukunft geht, ein aktives Mitspracherecht einzuräumen.

Die Lehre aus dem Scheitern dürfte sein, dass in der kommenden Legislatur das Thema eine besondere Priorisierung erhält. Kinder sind nicht nur für Sonntagsreden „unsere Zukunft“ – sie haben selber eine: Diese darf man ihnen nicht nur in Fragen des Klimaschutzes verbauen, sondern muss jetzt die Möglichkeiten schaffen, dass ein wirksamer Kinderschutz und verfassungsrechtlich abgesicherte Kinderrechte ihnen die Möglichkeit schaffen, hier die Gestaltung der eigenen Zukunft auch mitzugestalten.

Veröffentlicht von Roland Hoheisel-Gruler

Volljurist// Mediator // Dipl. Forstwirt (univ.)//Hochschullehrer

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