Die Kinderrechte und das Grundgesetz

Nachdem ich gestern einen Beitrag dazu verfasst hatte, dass, wenn Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden sollen, dies dann auch richtig geschehen müsse, hat sich ein Artikel von mir aus dem Jahre 2007 zum selben Themenkomplex wieder an die Oberfläche gespült.

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Eine neuerliche Lektüre nach über 13 Jahren hat gezeigt, dass damals ein wütender Familienrechtler (also ich) sich darüber echauffiert hatte, dass Kinderrechte im Grundgesetz nichts kosten und auch nichts bringen. Geschrieben war dieser damalige Artikel vor dem Hintergrund, dass damals in etwa zeitgleich Skandale offenbar geworden waren, in denen Kinder ums Leben gekommen waren, obwohl den Eltern das Sorgerecht entzogen war und die Vormundschaft beim Jugendamt gelegen war. Diese schlimmen Vorfälle von damals sind aufgearbeitet. Die Situationen in den Jugendämtern, die personale wie sachliche Ausstattung haben sich gegenüber 2007 auch verbessert. Ebenso sind nicht nur die wissenschaftlichen Erkenntnisse über familiäre Kontexte angewachsen, sondern diese haben sich auch in Aus- und Fortbildung bei den Mitarbeiter:innen der Jugendämter niedergeschlagen. Dass hier noch „Luft nach oben“ besteht und durchaus auch regionale Unterschiede immer noch bestehen, sei an dieser Stelle nicht verhehlt.

Der zweite damalige Punkt, der zu meiner Wutrede Anlass gegeben hatte, war der Umstand, dass damals in Erwägung gezogen worden war, dass Kinderärzte verpflichtet werden sollten, Verdachtsfälle von körperlicher Misshandlung an die Jugendämter zu melden. Ich sah damals – und der Meinung bin ich auch heute noch – eine nicht zu rechtfertigende Durchbrechung des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Ärzt:innen und Patient:innen. Eltern müssen sich vertrauensvoll an die Menschen wenden können, die zu deren Hilfe da sind. Staatliche Kontroll- und Überwachungsphantasien können auch im Interesse der Kinder solche Grenzüberschreitungen nicht rechtfertigen. (Wobei der Umstand, dass, wenn es um Kinder geht, ohnehin jede grundrechtlich geführte Debatte aufgrund der moralischen Überlagerung schwer bis unmöglich wird)

Damals ging es also darum, dass bekannte Problemstellen in Bezug auf den Schutz von Kindern vor Gewalt bekannt und benannt waren, aber nicht diese primär angegangen wurden. Statt dessen kam pünktlich zu Weihachten die Idee, der Kinderrechte im Grundgesetz auf.

Damals wie heute ging der Streit aber auch darum, wie dies zu bewerkstelligen gewesen wäre. Damals habe ich die reine Symbolpolitk, die dahinter stand, kritisiert. Daran hat sich auch, wenn ich nun meinen neuen Text daneben lege, nichts geändert:

Wenn Kinderrechte ins Grundgesetz sollen, dann bitte richtig.

Was in meiner Haltung neu ist, ist der Umstand, dass – positiv gewendet – eine Grundgesetzänderung doch durchaus sinnvoll sein kann: Nicht als Symbol, dass man auch die Kinder jetzt mit einem vagen Staatsziel beglückt, sondern so, dass diese – entsprechend ihrem Alter und ihrem Reifegrad – eine echte Teilhabe an der Gestaltung ihres eigenen Lebens einfordern können sollen.

Vor 13 Jahren war die Zeit noch nicht reif dafür. Heute diskutieren wir darüber. Es steht zu hoffen, dass sich bis zur Änderung des Grundgesetzes auch die parlamentarisch notwendigen Mehrheiten finden, die den Mut aufbringen, hier über ein reines kost-nix-bringt-nix! hinaus zu gehen.

Veröffentlicht von Roland Hoheisel-Gruler

Volljurist// Mediator // Dipl. Forstwirt (univ.)//Hochschullehrer

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