Weil Äste einer Schwarzkiefer in sein Grundstück ragten, griff ein Mann nach langem Streit mit seinem Nachbarn zur Selbsthilfe – und schnitt die Äste mit einer Astschere ab. Nun wurde ihm vom Bundesgerichtshof Recht gegeben, nachdem die Eigentümer des Baumes wegen dessen Verstümmelung geklagt und in den ersten beiden Instanzen ihrerseits obsiegt hatten.

Ausführlich hat unter Anderem die FAZ darüber berichtet:
Quelle: BGH urteilt in Berliner Nachbarschaftsstreit über überhängende Äste
Nun möchte ich mich hier nicht lange über die vielfältige Rechtsprechung zu § 910 BGB auslassen – auch nicht, ob Schönheit von Bäumen und ihre positiven Wirkungen auf das Stadtklima heute nicht anders zu beurteilen wären als wie im Jahre 1900, als das BGB mit dieser Vorschrift in Kraft getreten war.
Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt: Dieser Satz aus Schillers „Wilhelm Tell“ wird gerne zitiert, wenn es um Nachbarschaftsstreitigkeiten geht. Gleichwohl ist die Sache meist komplizierter und verworrener, und wer von beiden der Frömmste und wer der Böse ist, ist nicht immer sofort ausgemacht.
Auch im jetzt vom BGH entschiedenen Fall war ein jahrelanger Streit vorangegangen – und ein langwieriger Prozess durch drei Instanzen, wobei die letztlich unterlegenen Nachbarn in den ersten beiden noch obsiegt hatten.
Das ist ein Punkt, an dem es sich lohnt, auch über Mediation in Auseinandersetzungen in der Nachbarschaft nachzudenken: Die Auslöser eines Konfliktes sind vielleicht so bescheiden, dass diese zunächst übersehen werden – irgendwann gibt das Eine das Andre – und nach dem Streit über den Zaun folgen die anwaltlichen Schreiben und am Ende sieht man sich vor Gericht wieder. Zeit – Geld – Nerven – und letztlich auch Lebensqualität gehen so dahin….
Wenn die Parteien weder willens noch in der Lage sind, irgendwann einmal umzuziehen, bedeutet das auch, auf Jahre und vielleicht sogar Jahrzehnte aneinander gefesselt zu sein.
Mediation in Nachbarschaftsangelegenheiten ist deswegen lohnend: Die Frage, wer jetzt der Frömmste und wer der Böseste ist, muss nicht beantwortet werden. Ausgehend vom aktuellen Konflikt vermag die Phase der intensiven Konfliktklärung der Sache auf den Grund zu gehen. Nicht in der Art, dass ein Verschulden eines Teils festgestellt wird, wohl aber, um die Bedürfnisse hinter den Positionen herauszuarbeiten.
So wird der aktuelle Konflikt zur Spitze eines Eisbergs – und die Sichtbarmachung der dahinter liegenden Bedürfnisse der Konfliktparteien kann dazu beitragen, die Situation umfassend und nachhaltig zu befrieden.
Die Hoffnung, dass die beiden Kontrahenden nach der Mediation gleich beste Freund:innen werden, dürfe wohl übertrieben sein. Wenn aber ein halbwegs freundlicher Gruß in Zukunft die wechselseitigen finsteren Blicke ablösen kann, ist mehr gewonnen als ein Streit an Nachbars Hecke.
Richtig ist, nicht jedes Verfahren landet am Ende vor dem BGH – und auch die Amtsgerichte sind gut darin, ordentliche Vergleiche schließen zu lassen. Aber die Mediation hat eben doch am Ende auch noch den Vorteil, dass jeder der Konfliktparteien selbst Herrin ihres eigenen Verfahrens bleibt und am Ende auch die Verantwortung für ein selbst hart erarbeitetes Ergebnis gerne übernehmen kann.