Nach der weltweit konzertierten Aktion gegen die Organisierte Kriminalität geht die Debatte nun darum, wie das FBI hier vorgegangen ist und wie die von dort gewonnenen Erkenntnisse in den einzelnen Ländern für das weitere Vorgehen umgesetzt wurden.

Zusammengefasst stellt sich die Sache so vor, dass diese Aktion deswegen möglich wurde, weil die Strafverfolgungsbehörden die Kommunikation über vermeintlich abhörsichere Kryptohandys mithören konnten. Möglich war das dadurch, dass das FBI selbst als Handy-Dealer in Erscheinung getreten ist – und die Lauscher-App, die die Kommunikation entschlüsselt ausleitete gleich mit geliefert hatte. Das FBI hatte somit also die komplette Krypto-Komminikationsinfrastruktur selbst zur Verfügung gestellt gehabt und dann die Erkenntnisse weltweit geteilt.
Der leitende OStA Krause von der Frankfurter Zentralstelle für die Bekämpfung von Internet-Kriminalität hatte sich gegenüber der FAZ nun dahingehend geäußert, dass ein derartiges Vorgehen in Deutschland offensichtlich nicht möglich sei.
Ähnlich hört es sich bei Thomas Fischer – ehemaliger BGH-Richter, jetzt Rechtsanwalt, Kolumnenschreiber und StGB-Kommentator – an, wenn er im Interview mit dem Spiegel die Mischung aus präventiver Straftatenverhütung und Tatprovokation rügt.
Gleichwohl ist aber auch anzumerken, dass in Deutschland die fruit-of-the-poisonous-tree-Theorie nicht gilt: Demnach dürfte, was auch Thomas Fischer anmerkt, die Anordnung der Durchsuchungen in Deutschland nur aufgrund von rechtszweifelhaft zustande gekommenen Abhörergebnissen aus den USA insgesamt rechtswidrig sein. Allerdings würde das nicht zu einem Beweisverwertungsverbot in Bezug auf die bei den Durchsuchungen erlangten Erkenntnissen und Beweismitteln führen.
Was hat das nun mit dem Tellerrand zu tun?
Hier hat die internationale Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden dahingehend funktioniert, dass mit großem Aufwand weltweit koordiniert gegen die OK vorgegangen werden konnte. Entscheidend war hierbei die Möglichkeit, die Kommunikation zwischen tatsächlichen und potentiellen Täter:innen abzuhören.
Die organisierte Kriminalität ist weltweit bestens vernetzt. Diese Vernetzung bezieht sich nicht nur auf die geführte – und hier abgehörte und ausgewertete – Kommunikation, sondern auch auf das Tatmittel Internet insgesamt.
Auf den verschiedensten Ebenen findet Kriminalität im digitalen Raum statt. Soweit und solange Strafverfolgung an nationalen Grenzen endet, sind ihr auch im Virtuellen Grenzen gesetzt. Ebenen der internationalen polizeilichen Zusammenarbeit gibt es viele. In Bezug auf das Internet könnte durchaus aber noch weiterer Handlungsbedarf bestehen. Das Beispiel jetzt zeigt, dass die internationale Kooperation in der Lage ist, weltweite Strukturen zu treffen und zu schwächen.
Es muss und wird aber darum gehen, dass in diesem globalen Dorf Internet multilateral eine Verständigung erreicht werden kann, was und welche Handlungen und Vorgehensweisen sanktionierbar sein sollen – und wo welche Verantwortlichkeiten und Möglichkeiten liegen können, hier auch ohne größere Zeitverluste im virtuellen Raum tätig werden zu können.
Das wäre so etwas ähnliches wie ein internationales Internet-Strafrecht mit einem internationalen Internet-Strafverfahrensrecht. Flankiert werden müsste dies dann mit den Möglichkeiten präventiven Handelns und der internationalen Strafverfolgungsvorsorge und Straftatenverhütung.
Das ist komplizierter wie es sich zunächst anhört. Die Frage, wie die Staaten miteinander kooperieren und wer unter welchen Voraussetzungen welche Befugnisse erhält – und wie die Staaten ihrerseits die Bürger:innen ihres Landes ebenso vor den Zugriffen fremder Mächte schützen wie die Integrität der inländischen kritischen Infrastrukturen und des eigenen Netzes, ist ihrerseits vielschichtig.
Im realen Raum haben es die europäsichen Staaten mit Schengen vorgemacht – und auch hier bestehen bis heute noch nach nahezu drei Jahrzehnten Anpassungs- und Verbesserungsbedarfe – und dies in einem umrissenen Raum, der sich mit den EU-Verträgen und der EU-Grundrechtecharta auf einen einheitlichen Rechtsraum verständigt hat.
Die Herausforderungen wollen aber angegangen werden – und dies vor dem Hintergrund, dass die Bürger:innen bestmöglich geschützt werden: sowohl, was der Schutz ihrer Privatheit vor staatlichen Zugriffen betrifft, als auch den Schutz ihrer Rechtsgüter vor kriminellen Handlungen.
Zum Zusammenhang von Datenschutz und Cybercrime werde ich bei der ersten Tagung für Cyberkriminologie am 19. August 2021, die an der Hochschule der Polizei Brandenburg in Oranienburg stattfinden wird, vortragen – und ich freue mich schon jetzt auf den fachlichen Austausch dort mit den Kolleg:innen.
Hier gibt es weitere Informationen zur Veranstaltung.
Zur Vertiefung eignet sich auch der Sammelband zur Cyberkriminologie, zu dem ich einen Aufsatz beisteuern durfte. Dort habe ich mich explizit mit dem Thema: Das Internet ist kein (grund-)rechtsfreier Raum auseinandergesetzt.