Mansour und seine Vorstellung von „Team Polizei“ – eine Gegenrede

Ahmad Mansour bekennt sich dazu, im „Team Polizei“ zu sein. Mit diesem Bekenntnis beginnt er seine neue Kolumne im Focus.

Quelle: Grüne: Will eine Partei ins Kanzleramt, sollte sie Polizei nicht als Feind sehen – FOCUS Online

Nach dieser Einleitung folgt gleich eine Aufforderung:

„Ich finde sogar, jeder Demokrat, jede Partei und ganz besonders jeder Mensch, der für sich in Anspruch nimmt, dieses Land zu führen, muss grundsätzlich im Team Polizei sein, es stärken und unterstützen. Struktureller Rassismus bei der Polizei? Einen Generalverdacht darf es nicht geben.“

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Kurz gesagt, jede:r anständige Staatsbüger:in muss diesem Team angehören. Jede:r der/die sich zum Kreis derjenigen zählt, denen die freiheitlich-demokratische Grundordnung etwas bedeutet, hat dieses Team zu stärken und zu unterstützen.

Mit dieser großen Geste gleich zu Beginn seines „Klartextes“ macht Mansour eines: Er grenzt aus. Elegant und geschickt. Wer nicht für das Team Polizei spielt, spielt nicht mit in der Liga der Demokraten. Wer es wagen sollte, Kritik an diesem Team zu üben, gehört nicht dazu. Nicht dazu in dreifacher Hinsicht:

Wer nicht im Team Polizei ist kann kein Demokrat sein. Eine Partei, die sich nicht vorbehaltlos hinter die Polizei stellt, kann keine demokratische Partei sein. Ein Mensch, aus einer solchen Partei kann nicht gleichzeitig im Team Polizei sein und hat damit auch keinen legitimen Anspruch darauf, eine Führungsrolle in diesem Land zu spielen.

Das ist in mehrfacher Hinsicht perfide: Nicht nur, dass diese Kolumne auf eine Partei und ihre Kanzlerkandidaten zielt: geschenkt. Das ist Wahlkampfgedöns von der Sorte, dass dieses Stöckchen zu nieder hängt, als dass man darüber springen möchte.

Perfide ist es deshalb, weil in diesem ausgrenzenden Zusammenhang: hier die Guten – da die Bösen – ein Bild eines Verständnisses von Polizei offenbart wird, von dem man glauben und hoffen durfte, dass dies längst überwunden sei.

Woher kommt diese Selbstverständlichkeit, dass jede:r aufrechte Demokrat:in in diesem Team spielen müsse und die Polizei stärken und unterstützen. Stärken worin? Unterstützen wodurch?

Klar wird bei der weiteren Lektüre der Kolumne, dass damit nicht gemeint ist, die Arbeit der Sicherheitsorgane wohlwollend aber kritisch zu begleiten, Finger auf empfindliche Wunden zu legen, Verbesserungsvorschläge in die politische Debatte einzubringen, die Auslotung von Sicherheitsgesellschaft und bürgerlichen Freiheiten immer aufs Neue zu hinterfragen und zu debattieren.

Mansour spielt hier die Karte der Gefahr des Linksradikalismus. Linksradikale Ideologie und Kritik an Fehlentwicklungen in der Polizei setzt er synonym. Er versteigt sich letztlich dazu, die Debatten über Fehlentwicklungen in der Polizei – von denen er ja tatsächlich zahlreiche benennt, die aber seltsamerweise in der weiteren Argumentation nicht mehr auftauchen, sondern in die Einzelfälleschublade schiebt – seien in Wirklichkeit der Angriff der extremen Linken auf den Staat und seine verfassungsmäßige Ordnung. Das überschätzt mit Verlaub nicht nur das Potential der gewaltbereiten linksautonomen Szene, sondern ist schlicht und einfach daneben.

Lustig auch, dass sich Mansour in seiner Eigenschaft als jahrelanger Dozent an der Akademie der Polizei in Berlin für interkulturelle Kompetenz als Insider mit Fachwissen zu erkennen gibt. Unverständlich daher, wie er die Auswahlverfahren in der freien Wirtschaft mit ihren psychologischen Eignungstests und sonstigen Testungen, die sich in der freien Wirtschaft über Wochen hinziehen und dort Tausende von Euros kosten, über den grünen Klee lobt, die Auswahlverfahren bei den Polizeien aber damit abtut: „Ich finde, was die freie Wirtschaft kann, müsste die Polizei noch besser können.“ Keine Erklärung, kein Hinweis auf die Auswahlverfahren, kein Ansatz darüber, wie die begehrten mehrfach überzeichneten Bewerbungen für die Polizeihochschulen am Ende diejenigen herausfiltern, die das Glück haben, bei der Polizei ihre Ausbildung machen zu dürfen. Die geneigte Leserin/der geneigte Leser kann das nicht wissen – woher auch – er oder sie hat vermutlich noch nie von solchen Verfahren gehört, weiß nicht, wie diese inhaltlich und psychologisch begleitet werden, wie die Mitglieder der Kommissionen geschult und sensibilisiert werden und vieles mehr. Aber das Framing ist gesetzt – im Kontext der behaupteten Expertise aus Binnensicht ist das in höchstem Maße unredlich.

Sicherlich könnte man auch über die Auswahlverfahren gesondert debattieren – aber daran ist Mansour offensichtlich nicht gelegen. Wer kritisiert, ist in der linksradikalen antidemokratischen Ecke gelandet und gehört ja nicht mehr dazu. Punkt. Aus. Ende.

Die gedanklichen Fehlleistungen dieses Artikels wurzeln tief:

Beginnend mit der Feststellung, dass jemand, der oder die für sich in Anspruch nimmt, dieses Land zu führen, müsse grundsätzlich im Team Polizei spielen. Der Führungsanspruch in unserem Lande wird, wenn er sich realisieren lässt, demokratisch legitimiert: Der Deutsche Bundestag wählt mit der Mehrheit seiner Mitglieder gemäß Art. 63 Abs. 2 GG auf Vorschlag des Bundespräsidenten die Bundeskanzlerin/den Bundeskanzler. Wer dieses Land führen will, braucht zur Umsetzung dieses Zieles das Vertrauen des Deutschen Bundestages, mithin der Frauen und Männer, die durch die Bundestagswahl von den wahlberechtigten Menschen in diesem Lande dorthin gewählt wurden.

Aus gutem Grunde haben die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes bestimmt, dass Polizei grundsätzlich Ländersache ist: Das Grundgesetz kennt nur in ganz engen Grenzen eine Gesetzgebungszuständigkeit für Polizeien des Bundes: Zu nennen sind das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei. Beide mit eng umrissenen und definierten Aufgabengebieten. Die 16 Polizeien der Länder gehen den Bund nichts an.

Jemand, der oder die eine Führungsrolle im Bund anstrebt, sollte in erster Linie das föderale Gefüge der Bundesrepublik Deutschland kennen, und wissen, dass dieses Gefüge auch der Garant für die innere Sicherheit in unserem Lande ist. Dazu braucht es kein Bekenntnis oder gar Mitgliedschaft im Team Polizei – aber dafür im Team FDGO.

Womit wir beim nächsten Punkt wären: Im Gefüge unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist es so, dass der Staat sich jederzeit für sein Handeln gegenüber dem Souverän – den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes – rechtfertigen können muss. Dagegen haben diese Menschen ein Recht auf Privatheit:

Es kann nicht oft genug wiederholt werden, was das Bundesverfassungsgericht im Elfes-Urteil niedergeschrieben hat: „Demgegenüber hat das Grundgesetz eine wertgebundene Ordnung aufgerichtet, die die öffentliche Gewalt begrenzt. Durch diese Ordnung soll die Eigenständigkeit, die Selbstverantwortlichkeit und die Würde des Menschen in der staatlichen Gemeinschaft gesichert werden (BVerfGE 2, 1 [12 ]; 5, 85 [204 ff.])“ und weiter: „Hieraus ergibt sich, daß dem einzelnen Bürger eine Sphäre privater Lebensgestaltung verfassungskräftig vorbehalten ist, also ein letzter unantastbarer Bereich menschlicher Freiheit besteht, der der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen ist. Ein Gesetz, das in ihn eingreifen würde, könnte nie Bestandteil der „verfassungsmäßigen Ordnung“ sein; es müßte durch das Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt werden.“ (BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 16. Januar 1957- 1 BvR 253/56)

Das schlimme Wort vom Generalverdacht – das sich auch hier im Text wiederfindet – setzt ein Framing gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Denn es bedarf keines Vertrauensvorschusses und keiner Lobhudeleien für die Polizei. Gute Polizeiarbeit zeichnet sich vielmehr dadurch aus, dass das legitime Hinterfragen staatlichen Handelns zum Ergebnis kommt, dass dieses auf dem Boden von Recht und Gesetz stattfindet und stattgefunden habe.

Die Polizei ist nicht an das Wohlwollen der Bürgerinnen und Bürger gebunden, sie braucht es letztlich auch nicht. Einziger Maßstab – und der ist anspruchsvoll genug – ist Art. 1 Abs 3 GG, wonach die Grundrechte des Grundgesetzes für alle staatliche Gewalt als unmittelbar geltendes Recht Anwendung zu finden haben.

Damit läuft auch die formelhafte und inhaltsleere Kritik am Antidiskriminierungsgesetz des Landes Berlin ins Leere: Entgegen den pauschalen Behauptungen, die ungeprüft die Vorbehalte der Polizeigewerkschaften GdP und DPolG wiedergegeben haben, wonach sich durch solche Gesetzgebung die Arbeitsbedingungen massiv verschlechtern würden und die Polizei des Unrechts bezichtigt werden könne, ohne dass dies bewiesen werden müsse, hat Frida Thurm erst vergangene Woche in der ZEIT eine differenzierte Bilanz nach einem Jahr LADG gezogen. Fazit: Es taugt als Blaupause auch für andere Länder. Ähnlich hatte sich übrigens der rbb schon nach einem halben Jahr nach Inkrafttreten geäußert gehabt.

Zu guter Letzt noch eine Bemerkung zur Überschrift der Kolumne: Mansour titelt mit „Polizei bleibt Freund und Helfer – auch wenn linke Parteien dies nicht gerne sehen“

Damit setzt er den Ausgrenzungsgedanken fort. Erstens wird der Spruch von der „Polizei – Dein Freund und Helfer“ dogmatisch gesetzt und wie eine Monstranz dem Text vorangetragen. Und zweitens werden diejenigen, die bei diesem Motto ins Grübeln kommen, in denn Dunstkreis der linken Parteien gesteckt: Gegenwehr? Zwecklos.

Dabei ist das Dogma vom Freund und Helfer sachlich und inhaltlich schon falsch. Polizei hat klar geregelte Aufgaben: Wer sich damit näher befassen möchte, kann das gerne tun und sich mal den § 1 des Polizeigesetzes seines Heimatbundeslandes vor Augen führen. Dort steht geschrieben, was die Landesgesetzgeber sich gedacht haben, was die Aufgaben von Polizei sind. Von Freund und Helfer steht da nichts. Dagegen ist die primäre Aufgabe die der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. (Von Kriminellen jagen steht da auch nichts, da verweisen die Polizeigesetze in „Aufgaben, die der Polizei nach anderen Gesetzen zugewiesen sind“ in die StPO. Dort findet sich die Polizei als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft wieder, die den Hut in den Verfahren auf hat – allen eigenen Erkenntnissen aus jahrelangem Tatort-Derrick-SOKO-Konsum zum Trotz) Daneben gibt es noch die Aufgaben, dass ausnahmsweise, wenn andere Hilfe nicht schnell zu erreichen ist, auch mal private Rechte geschützt werden dürfen. Immer noch nichts vom Freund und Helfer.

Dass Polizist:innen tagtäglich über ihren eigenen Job hinaus für die Menschen da sind und auch mal Hilfe leisten, die sie nicht wirklich erbringen müssten, aber gerade sonst niemand da ist, der oder die zuständig wäre: Das ist aller Ehren wert und jede:r einzelne, der oder die sich hier engagiert verdient Lob und Anerkennung – aber das ist eben nicht das Kerngeschäft.

Das Bild vom Freund und Helfer nimmt aber genau dieses auf und transformiert diese zusätzliche Arbeit und die Anerkennung, die diese verdient, auf das eigentliche polizeiliche Handeln.

Sowohl im Rahmen der Gefahrenabwehr als auch der Strafverfolgung oder der Strafverfolgungsvorsorge und Straftatenverhütung greift die Polizei in die Grundrechte der betroffenen Bürgerinnen und Bürger ein. Das hat erst mal nichts mit Freund und Helfer zu tun – sondern mit der schlichten Tatsache, dass bei den Menschen, die von polizeilichen Maßnahmen betroffen sind, deren grundrechtlich geschützte Position eben erst einmal verkürzt wird. Eine andere Frage ist dann, ob dies auch rechtmäßig war oder ist – und damit sind wir wieder beim Generalverdacht von oben. Wer gute Polizeiarbeit macht, weiß, dass durch ihr oder sein Handeln in die Grundrechte anderer eingegriffen wird – und dass der Polizist/die Polizistin in der Lage sein muss, diesen Eingriff in jeder Phase des Handelns zu rechtfertigen.

Polizeiliches Handeln, das verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist und von dieser Warte aus auch erklärbar, steigert die Akzeptanz polizeilichen Handelns spürbar. Das ist nicht so dahergesagt, sondern auch ein Ergebnis der Polizeiforschung. Aber auch das hat viel mit Rechtsstaatlichkeit und wenig mit Freund und Helfer zu tun.

Dieser Spruch transportiert ein obrigkeitsstaatliches Verständnis eines Gemeinwesens: Der Vater Staat gestrenge Hausvater, der mahnend und warnend seine Kindlein an die Hand nimmt und Regelabweichungen mit väterlicher Strenge begegnet, auf der anderen Seite aber im gesetzten familiären Rahmen die Entwicklung der Kindlein wohlwollend begleitet.

Dieser Obrigkeitsstaat hat nichts – aber auch gar nichts – mit den bunten, vielfältigen und freiheitlichen Gegebenheiten der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2021 zu tun. Und es steht zu hoffen, dass niemand ernsthaft das Rad in diese Zustände zurückdrehen möchte.

Zusammengefasst ist die Kolumne von Ahmad Mansour ein Versuch, das Thema innere Sicherheit zu thematisieren und gleichzeitig die Akteur:innen und Akteuere hier für sakrosankt zu erklären. Das konnte nicht gutgehen.

Veröffentlicht von Roland Hoheisel-Gruler

Volljurist// Mediator // Dipl. Forstwirt (univ.)//Hochschullehrer

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