In Deutschland treffen derzeit zwei Phänomene aufeinander: Sommer und sommerliche Hitze und Wahlkampf. Nachrichtenarmut auf der einen Seite und krampfhafte Suche nach Themen, die bei den Wähler:innen zünden können, verbinden sich zu einem unheilvollen Paar.

Mit schöner Regelmäßigkeit taucht daher die Klarnamenpflicht für Online-Plattformen wieder auf. Die Gründe sind jedes Mal die selben: Erschwerte Identifizierung und Verfolgbarkeit von Straftäter:innen im Internet, Eindämmung von Hasskriminalität, Identitätsdiebstahl oder Cybergrooming. Wenn nichts mehr hilft, kommt dann noch die Verbreitung (kinder-)pornographischer Inhalte dazu.
Die Debatte ist eigentlich schon längst ausgelutcht: Stichhaltige Gründe FÜR eine Klarnamenpflicht konnten bislang nicht benannt werden. Die Nachteile hingegen, die Menschen, wenn sie sich nicht anonym im Netz bewegen können, liegen auf der Hand. Hinzu kommt, dass gerade die Verpflichtung, sich mit Klarnamen anzumelden, diejenigen, die des Schutzes besonders bedürfen – und das sind nicht nur in Corona-Zeiten, aber jetzt besonders die Kinder und Jugendlichen, besonderen zusätzlichen Gefahren aussetzt.
Nie ist Cyber-Stalking leichter, wie wenn verschiedene Profile auf verschiedenen Plattformen einfach und leicht über den Klarnamen identifizierbar und verknüpfbar werden. Und so kann, wer will, auch leicht andere sensible Daten für eigene Zwecke nutzbar machen: Telefonnummer, Mobilnummer, E-Mail, Anschrift….
Letztlich ist die Klarnamenpflicht ein populistisches Instrument, da hier eine scheinbare – aber nicht funktionierende – dafür aber auf den ersten Blick einfache Lösung präsentiert. Wer nichts zu verbergen hat ….. bitteschön.
Dahinter steckt aber – und das macht das Ganze populistisch und gefährlich – die Idee, dass, wer sich gegen eine Klarnamenpflicht stellt, auch etwas zu verbergen habe, folglich suspekt sei und nicht zur Corona der billig und gerecht Denkenden und Handelnden gehören könne.
Dass es auch anders geht – und effektiver Schutz der gefährdeten Rechtsgüter möglich ist, wurde mehrfach beschrieben und diskutiert. Zu nennen wäre an dieser Stelle beispielsweise die Idee eines digitalen Gewaltschutzrechtes, wie es zuerst von Ulf Buermeyer von der Gesellschaft für Freiheitsrechte formuliert woren war.
Auch das NetzDG hat sich zwischenzeitlich weiter entwickelt. Die Debatte hierüber ist noch immer am Laufen – aber weit davon entfernt, die Klarnamenpflicht als taugliches Mittel im Kampf gegen HateCrime zu erkennen.
Hierüber hatte ich bereits im Sammelband „Cyberkriminologie“ in einem Kapitel über Grundrechte im digitalen Raum geschrieben.
Jetzt hat sich auch D64 mit einem Vorschlag, der bedenkenswert ist, zu Wort gemeldet:
Quelle: Die Login-Falle: Strafverfolgung im Internet ohne Massenüberwachung | D64
Hier geht es darum, dass der oder demjenigen, der oder die über einen Account einen strafwürdigen Inhalt verbreitet wird, eine so genannte „Login-Falle“ gestellt wird.
Voraussetzung ist: Der Accountname und die Plattform sind bekannt, ein Anfangsverdacht auf das Vorliegen einer Straftat wurde bereits geprüft. D64 schlägt hier die Anzeige durch das Opfer selbst vor – hierüber kann durchaus nochmals nachgedacht werden: Ob und inwieweit auch zivilgesellschaftliche Organisationen hier involviert werden können, wo die Anzeigen auflaufen sollen und wie dann weiter verfahren werden kann – all das ist aber eine tiefere Befassung wert!
Dreh- und Angelpunkt ist dann die Zusammenarbeit mit den Plattformbetreibern, die nach diesem Modell dann auf (polizeiliche? gerichtliche?) Intervention die Falle scharf stellen – und dann beim nächsten log-in die IP-Adresse mitschneiden lassen, über die die Ermittlungsbehörden dann vom Telekommunikationsanbieter die Stammdaten der fraglichen Person erhalten können – und so das Verfahren seinen Fortgang nehmen kann.
Überzeugend an diesem Vorgehen ist, dass jegliche Idee einer wie auch immer gearteten Vorratsdatenspeicherung überflüssig wäre.
Problematisch ist – wie meist – dass Tatort, Aufenthaltsort von Täter:innen, verwendete IT-Infrastruktur sich irgendwo befinden können. Das globale Dorf und die Rechtssicherheit in selbigen haben noch einen weiten Weg vor sich. Neben dem Ansatz des digitalen Gewaltschutzgesetzes, das mehr den Schutz der Rechtsgüter der Betroffenen vor weiterem Hass im Blick hat und auch HateCrime-Schleudern über bots schnell und effektiv still legen können, trägt der Vorschlag von D64 eher dem Anliegen einer sichtbaren Strafverfolgung Rechnung.