Die Nachfrage nach Familienmediationen sei seit Corona gestiegen…

Das vermeldet der MERKUR in seiner online-Ausgabe.

Photo by burak kostak on Pexels.com

Leider bleibt der Artikel dann im Allgemeinen verhaftet und weist auf die allfälligen Vorzüge von Mediation im Allgemeinen und im familiären Kontext im Besonderen hin.

„Familienmediationen können bei Konflikten vermitteln – etwa nach einer Trennung.“ – steht da geschrieben. Dabei geht es gar nicht um die Vermittlung bei Konflikten, sondern um die Lösung eines solchen. Dies kann gerade im familiären Kontext auch mit existentiellen Fragestellungen zusammen hängen. Gerade in Fällen von Trennung und Scheidung geht es um den Abschluss eines Lebensabschnittes, von dem die Parteien einmal davon ausgegangen waren, dass dieser für den Rest eines Lebens halten möge – und sich entsprechend darauf eingestellt hatten.

Seit Beginn der Corona-Pandemie sei die Nachfrage nach dem Hilfsangebot stark gestiegen, sagen laut MERKUR die von dort angefragten Expert:innen.

Quelle: Nachfrage nach Familienmediationen seit Corona gestiegen | Leben

Widersprüchlich sind zumindest die Angaben, dass sich die Anfragen nach Beginn der Pandemie verdoppelt haben könnten – einerseits. Und dass die Zahlen jetzt wegen sinkender Inzidenzwerte anziehen könnten – andererseits.

Unbestritten ist der Befund, dass die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Schwierigkeiten sich auch auf das familiäre Zusammenleben ausgewirkt haben (können). Die Gründe sind vielschichtig: Monatelange Kurzarbeit oder Verlust von (Zu-)Verdienstmöglichkeiten haben insbesondere bei prekäreren Lebensverhältnissen die Familien an den Rand des wirtschaftlichen Ruins treiben können. Auch konnten bislang verdeckte Konfliktlinien durch die größere Nähe und geringere Ausweichmöglichkeiten – sei es der Austausch mit Freund:innen, Kneipenbesuche, Vereinsaktivitäten u.v.m. – nicht mehr verdeckt bleiben oder frühzeitig in ein Lösungskonzept münden. Hinzu kommen die Herausforderungen und Überanstrengungen durch monatelanges Homeschooling – oftmals mit großem Einsatz und überschaubaren Erfolgen und gestressten Kindern, die ihrerseits unter dem fehlenden physischen Kontakt mit Gleichaltrigen leiden.

Gleichwohl ist Mediation keine Familientherapie – und das Mittel, das eingesetzt wird, will wohl gewählt sein.

Leider reiht sich der Artikel in eine Reihe ein, dass hier ein Geschäftsmodell nur darauf wartet, von findigen Mediator:innen erschlossen zu werden. Dafür habe ich allerdings wenig Verständnis.

Mediation ist ein hervorragendes Konfliktlösungstool – dabei sind Konflikte gerade im innerfamiliären Bereich auch mediierbar. Am Ende des Mediationsprozesses steht aber eine Vereinbarung, die justiziabel sein muss: Eine Absichtserklärung oder ähnliches reicht dann nicht. Im familiären Kontext sind hier die Mittel der Wahl dann notariell zu beurkundende Ehe- und/oder Erbverträge, gemeinsame Unterzeichnung von Antragsformularen (wenn es um die Ausübung elterlicher Sorge geht) und vieles mehr. Mediation ist dann angebracht, wenn das zukünftige Leben in – rechtlich anders – geordnete Bahnen gelenkt werden kann und soll. Für alles andere sind paartherapeutische Angebote zielführender.

Sollten tatsächlich – und hierfür gibt es noch keine belastbaren Zahlen – aufgrund der Pandemie tatsächlich mehr Familien zerbrechen als wie in „normalen“ Zeiten, so ist dies zunächst ein beklagenswerter Befund. Dann muss diesen Menschen eine bestmögliche Lösung der hieraus erwachsenden Konflikte möglich sein – und dann kann auch Familienmediation ein geeignetes Lösungsinstrument sein.

Veröffentlicht von Roland Hoheisel-Gruler

Volljurist// Mediator // Dipl. Forstwirt (univ.)//Hochschullehrer

%d Bloggern gefällt das: