„Why Parenting Coordination Didn’t Work For Me“ – oder: wie Konflikte in Familien angehen?

Der heutige Netzfund ist ein offenes Geständnis einer Mutter, in dem sie erklärt, warum es bei ihr mit der „Parenting Coordination“ nach der Trennung vom Vater ihres Kindes nicht funktioniert hatte:

Quelle: Why Parenting Coordination Didn’t Work For Me | Live By Surprise

Die Geschichte liest sich wirklich dramatisch – und es scheint ein Fall zu sein, in dem alle Versuche, selbstbestimmt das weitere Eltern-Sein zu gestalten, gescheitert sind.

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Ohne den Fall im Einzelnen zu kennen, ist aber die Art und Weise der Erzählung doch für solche Scheitern-Geschichten typisch: Man muss den Text zweimal lesen, um zu wissen, wieviele Kinder das Paar hat, dass es ein Junge und ein Mädchen sind. Der Sohn wird dreimal erwähnt, die Tochter nur zweimal. Dies in einem sehr langen und ausführlichen Text, was alles unternommen wurde, was alles vereinbart wurde, was wieviel Kosten verursacht hatte und was alles nicht funktioniert hat und wo das Verschulden für das Scheitern bei so viel Einsatz zu verorten wäre.

Diese Haltung, die sich hier äußert – und die zugegebenermaßen aus der frustierten ex-post-Sicht geschrieben ist – ist aber mit ein Grund, warum die Trennung vom gemeinsamen Lebensentwurf auf der einen Seite und das in der Verantwortung als Eltern bleiben auf der anderen Seite mitunter so schwer fallen kann. Es steht zu befürchten, dass, würde man den Vater bitten, seine Geschichte aufzuschreiben, diese ähnlichen Inhaltes wäre, allerdings mit verteilten Rollen.

Damit soll jetzt keineswegs eine Zuweisung einer Schuldumkehr versucht werden:

Die wesentliche Erkenntnis ist, dass es – anders als bei Dostojewiski – nicht um Schuld und Sühne geht. Auch die Vorstellung, dass es – wie bei einem Tauschhandel – ausgeglichen in Leistung und Gegenleistung – zugehen müsse, kann nicht verfangen.

Schließlich gehört zur Erkenntnis, dass der gemeinsame Lebensweg zu Ende ist, dass den jeweils anderen das Leben des einen nichts mehr angeht und Kontrolle und ähnliches kontraproduktiv sind.

Das sind nun leicht dahingesagte Voraussetzungen – aus der Praxis in Familienrecht und Mediation weiß ich, dass diese aber mit zu den schwierigsten Schritten gehören.

Dann müssen die Kinder in das Zentrum der Überlegungen gestellt werden – sie sind keine Handelsware, um die man sich zerren kann. Die Erzählung von König Salomo, der das Kind zwischen den beiden Frauen aufteilen sollte, kann auch als Blaupause für den Trennungskonflikt mit herangezogen werden. Die Kinder können nichts dafür, dass die Situation zwischen den Eltern nun so ist, wie sie sich darstellt. Aber sie leiden darunter, sie müssen einen Verlust eines Elternteils verkraften, den sie nicht verstehen können. Noch eine Binsenweisheit: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Sie können – egal wie alt sie sind – von daher auch keine Verantwortung für ihre Zukunft und ihre Beziehung zum anderen Elternteil übernehmen.

Daraus folgt nun, dass die Eltern den Perspektivwechsel einüben müssen: Was ist gut für mein Kind – und nicht: was glaube ich, dass es gut für mein Kind ist, weil es auch gut für mich ist. Dieser wechselseitige Perspektivenwechsel zeigt nämlich zunächst auf, was der jeweilige Elternteil aus seiner Sicht für das Kind gut findet – erst dann kann dann in einem weiteren Schritt die dahinter liegende Bedürfnislage aufgedeckt und erörtert werden.

Natürlich werden bei einem solchen intensiven Vorgehen aus Elternteilen, die verstockt, enttäuscht, verletzt, abgewandt und wer-weiß-nicht-was-alles-noch sind, auf Anhieb wieder freundliche und verständnisvolle Partner:innen. Darum geht es aber gar nicht.

Gerade mit Mitteln der Mediation lässt sich erst der Boden bereiten, der notwendig ist, damit die Eltern überhaupt erst dazu ermächtigt werden können, ihre Möglichkeiten aber auch ihre Grenzen in der neuen – ungewohnten und vielleicht auch bedrohlich erscheinenden Lebenssituation – zu erkennen und sich selbst und ihre Bedeüfnisse sowie die Bedürfnisse der Kinder hier einzuordnen und zu sortieren. Selbstverständlich wird es immer wieder und immer noch Konfliktpunkte geben: Die gibt es aber in jeder Familie, getrennt oder zusammen lebend auch. Sei es die Frage des Zu-Bett-gehens, was es zu Essen gibt – wie streng oder wie liberal die einen oder anderen Punkte gehandhabt werden. Wichtig ist an dieser Stelle nur eines: Die Einigkeit darüber, sich nicht gegeneinander ausspielen zu lassen und Punkte dann, wenn sie virulent werden, offen anzugehen – gegebenenfalls wieder mit mediativer Hilfe.

Aus dem eingangs zitierten Text spricht eine weitere Fehlerquelle: Dort haben die Eltern viel vereinbart – Anwält:innen verhandeln lassen und eine Mediation versucht, die wohl eher einem Schlichtungsverfahren glich als einem echten Mediationverfahren. Das entspricht auch dem anglo-amerikanischen Rechtsverständnis: Viel vereinbaren und dann auf den Formalia der Vereinbarungen bestehen und die Durchsetzung dieser Vereinbarungen zu suchen. Entscheidender als eine Vereinbarung ist aber der Weg dorthin: Das gegenseitige Verständnis füreinander und für die wechselseitigen Bedürfnisse – und das sich Wieder-Finden in jedem einzelnen Abschnitt der Vereinbarung.

Eine Vereinbarung, die vorrangig Ziele und Verhaltensweisen festschreibt, ist aber keine Umsetzung von Bedürfnissen in eine verlässlicher Form, sondern ein Instrument des Misstrauens und der Kontrolle. Auch dies liest sich aus dem eingangs zitierten Text: Vereinbarung – Misstrauen – Kontrolle – Enttäuschung – nächste Runde. Verlierer:innen sind die Kinder – und letztlich die Eltern, weil sie bei jeder Runde ihre Selbstverantwortung und ihren Anspruch, als anderer Elternteil ernst- und wahrgenommen werden, auf dem Altar des Misstrauens verlieren.

Das ist nicht einfach und kostet Zeit – und dann auch Geld. Aber es ist gut investiert in das Wohlergehen der Kinder. Und letztlich sind die Eltern ihren Kindern es schlicht schuldig, ein bestmögliches Leben zu ermöglichen – gerade in Trennungs- und Scheidungssituationen. Schließlich gibt es immer viele Gründe, warum eine Partnerschaft in die Brüche geht – die Suche danach ist müßig und vielschichtig. Klare Antworten wird diese Suche nicht hervorbringen. Was aber geht, ist sich und sein eigenes Leben wieder in die Zukunft auszurichten und dabei die Verantwortung erkennen und wahrnehmen, die man mit der Geburt eigener Kinder übernommen hat. Auch wenn es schwer fällt oder die eigenen Möglichkeiten beschränkt sind: Es gibt am Wegesrand sehr viele Möglichkeiten und Hilfestellungen. Die Kinder sollten es jeder/jedem Wert sein. Daneben gibt es die anderen Möglichkeiten, das eigene Leben mit Hilfestellungen neu auszurichten. Dann klappt das auch mit den Kindern – mal besser und mal schlechter, aber sicher besser als in dem wirklich traurigen Beispiel vom Anfang.

Zum Schluss noch eine Erkenntnis: Weil es nicht um Schuld und Sühne gehen darf, trägt eine Schuldzuweisung an den anderen Elternteil schon ihrerseits ein weiteres Verschulden in Bezug auf die Zukunft in sich. Probleme und Blockaden haben eines gemeinsam: Sie können und wollen gelöst werden.

Veröffentlicht von Roland Hoheisel-Gruler

Volljurist// Mediator // Dipl. Forstwirt (univ.)//Hochschullehrer

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