Nachwehen: Münster – Mediation

Gestern hatte ich mich zum Einen mit dem Urteil im Missbrauchskomplex von Münster befasst gehabt und zum Anderen mit einem Netzfund und der Frage, wie Kindeswohl-orientierte Mediation gelingen kann und was hier einem Gelingen im Wege stehen könnte.

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Scheinbar stehen beide Themen meilenweit voneinander entfernt, und doch ist mir erst im Nachhinein bewusst geworden, wie sehr diese Texte inhaltlich einen gemeinsamen Nenner haben.

Außer, dass es beides Mal um Kinder geht, geht es auch darum, dass ich im Mediationstext sehr darauf gedrungen habe, Eltern zu befähigen, hier im Trennungskonflikt ihr Augenmerk auf das Wohl ihrer Kinder zu legen und von da aus ihre Bedürfnisse abzuleiten und dabei die eigenen Wünsche und Vorstellungen von den Bedürfnissen der Kinder zu separieren. Dabei war klar geworden, dass dieses Unterfangen nicht ganz einfach ist, zumal dann, wenn hinter dem artikulierten „Besten für das Kind“ in Wirklichkeit das Beste für die Konfliktpartei selbst bedeutet oder wenn Verantwortung auf die Kinder überwälzt wird.

Beim Text zu Münster habe ich – abseits der Debatte um die Höhe der ausgesprochenen Strafen oder weiterer Gesetzesverschärfungen oder dem allfälligen Thematisieren von zuviel Datenschutz – die Schwierigkeiten einer guten Präventionsarbeit herausgestellt.

Auch hier ging es um die Frage der Aufmerksamkeit: Aufmerksamkeit für die kindlichen Opfer – nicht erst, wenn es um die Aufklärung der Taten geht, sondern wenn es gilt, die Entstehung einer Missbrauchssituation frühzeitig zu erkennen und wirksam gegenzusteuern.

Sowohl im hochstreitigen Trennungskonflikt als auch im Missbrauchsfall sind es die Kinder, denen von Anfang an eine Rolle zukommt, in der sie nur passiv und als Opfer wahrgenommen werden können. Schlimm wird es für die Kinder in beiden Fällen, wenn sie in dieser Rolle nicht erkannt werden.

Während ich beim Trennungskonflikt auf die Elternverantwortung baue und setze und deswegen dafür werbe, die Eltern hier in der für sie selbst schwierigen Situation für die Kinder sensibel zu bleiben, geht es beim Missbrauch neben der Elternverantwortung um die Sensibilität in Kitas, Schulen, Vereinen. Wenn man weiß, dass ein Großteil der Missbrauchsfälle im unmittelbaren familiären und sozialen Umfeld stattfindet, dann fordert dies neben der Stärkung der Elternverantwortung auch die Möglichkeiten, hier Hilfe zu erhalten und diese auch tatsächlich zu bekommen. Der Personenkreis ist folglich größer, die Aufgabe aber die selbe: Achtsamkeit und Wahrnehmung gegenüber Kindern, Signale erkennen, Verhaltensänderungen nicht hinnehmen, Gespräche suchen und Fachleute mit einbinden. Verständlicherweise braucht dies in beiden Fällen – die zwar extrem auseinander liegen, aber dennoch sich um die Zukunft der betroffenen Kinder drehen – ein großes Maß an Vertrauen. Dieses Vertrauen setzt voraus, dass die Sorgen und Nöte aller Beteiligten in einem vertraulichen Rahmen bleiben und dass größtmögliche Diskretion gewahrt bleibt.

Niemand wird sich hilfesuchend an ein Amt wenden, wenn daraus negative Folgen entstehen könnten. Niemand würde es wagen, wegen eines Missbrauchsverdachtes sich an eine Stelle zu wenden, wenn man selbst in den Sog von Untersuchungen gezogen werden könnte.

Aber letztlich gehört die Achtsamkeit bei allen Kindern, gleich welcher Herkunft sie sind und ob deren Familienverhältnisse vorgeblich wohlgeordnet oder schwierig sind, um ein Vielfaches erhöht.

Hier gibt es noch viel zu tun – auf vielen Ebenen.

Veröffentlicht von Roland Hoheisel-Gruler

Volljurist// Mediator // Dipl. Forstwirt (univ.)//Hochschullehrer

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