Köln: Ein Video, ein Disziplinarverfahren – und ein Strafverfahren gegen Filmende

In den vergangenen Tagen hatte sich ein Video über einen polizeilichen Einsatz in Köln viral verbreitet: Darauf waren nach Meinung der Kölner Polizei „inakzeptable und möglicherweise strafbare Aussagen eines Kölner Polizeibeamten“ zu sehen.

Die stellvertretende Polizeipräsidentin in Köln hat umgehend reagiert und disziplinarische Maßnahmen gegen diesen Beamten eingeleitet. Darüber hinaus wurde der Vorgang der Staatsanwaltschaft zur Prüfung vorgelegt. Die Polizei Köln teilte weiter mit, dass, falls sich strafprozessuale Ermittlungen anschließen sollten, diese dann aus Gründen der Unbefangenheit von der Polizei in Bonn geführt werden könnten.

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So weit – so gut, könnte man meinen. Wäre da nicht der Hinweis in der Pressemitteilung am Ende, wonach gegen die Person, die das Gespräch mit dem Polizisten heimlich aufgezeichnet und im Anschluss in den sozialen Medien veröffentlicht haben soll, die Polizei Köln ebenfalls Anzeige wegen des Verdachts der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes erstattet habe. Das Handy der Person sei von Beamten zur Beweissicherung sichergestellt worden.

Dies verstört zunächst. Denn erst das Video hat diesen Vorgang öffentlich gemacht. Erst durch die Aufzeichung konnte die Polizei nicht nur davon Kenntnis erlangen, sondern bekam über dieses Video wichtiges Beweismaterial gleich mitgeliefert.

Der Grund für diese Anzeige ist aber nicht darin zu suchen, dass hier die Polizei Köln „einen der Ihren“ schützt und gleichzeitig ein klares Statement gegen Videoaufzeichnungen von Polizeieinsätzen setzt.

Tatsächlich liegt dieses Vorgehen in dem Legalitätsprinzip, wie es in § 152 StPO seinen Ausdruck findet. Die Polizei hat dann aus § 163 StPO die Aufgabe, Straftaten zu erforschen und entsprechende Anordnungen zu treffen. Das Legalitätsprinzip schützt die Bürger:innen vor staatlicher Willkür und stellt im Ergebnis die Bringschuld des Staates für die Übertragung des Gewaltmonopols an ihn dar.

Für das polizeiliche Einschreiten braucht es einen Anfangsverdacht gemäß § 152 Abs. 2 StPO. Und hier wird es nun schwierig:

In Frage käme nämlich durchaus die Annahme einer Strafbarkeit aus § 201 StGB. Dieser schützt die Vertraulichkeit des Wortes. Nun könnte man der Meinung sein, dass es sich bei Polizeieinsätzen nicht um vertraulich gesprochene Worte handeln könne. Meiner Meinung nach schützt diese Norm nämlich das Persönlichkeitsrecht der Person, die eine vertrauliche Äußerung tätigt.

“ Vielmehr soll im Hinblick auf das Recht am eigenen Wort als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und damit des Privatsphärenschutzes zwei unterschiedlich gelagerten Gefährdungssituationen begegnet werden.“

schreibt Bosch im Satzger / Schluckebier / Widmaier: Kommentar zum Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2021, § 201 StGB, Rn. 1.

Dienstliche Äußerungen sind daher nicht der jeweiligen Person als solche zuzurechnen, sondern dem Staat, in dessen Namen diese Äußerungen getätigt werden. Dem Staat und seinen Organen ist aber weder ein Persönlichkeitsrecht noch ein Privatsphärenschutz zuzurechnen. Eine entsprechende teleologische Reduktion würde daher bereits auf der Ebene des Tatbestandes eine mögliche Strafbarkeit entfallen lassen.

Hier gibt es nun aber zwei Schwierigkeiten: Für die rechtliche Bewertung ist, insbesondere dann, wenn die Sache nicht glasklar und eindeutig ist, nicht die Polizei, sondern zunächst einmal die Staatsanwaltschaft zuständig. Diese ist Herrin des Verfahrens und entscheidet – abgesehen von Einstellungsmöglichkeiten nach Opportunitätsgesichtspunkten der § 153ff. StPO – darüber, ob die Voraussetzung für die Erhebung einer öffentlichen Klage vorliegen oder eben nicht.

Auf der anderen Seite ist die Judikatur zu § 201 StGB auch recht unterschiedlich:

Hierzu sei nur auf eine Entscheidung des Landgerichts Aachen verwiesen, das auf die Entscheidungen aus München einerseits und Kassel andererseits hinweist.

Wird dem Angeschuldigten vorgeworfen, Äußerungen von Polizeibeamten im Rahmen eines Einsatzes (hier: Personalienfeststellung des Angeschuldigten bei Bestehen eines Anfangsverdachts des versuchten Betruges) mittels eines Mobiltelefons gefilmt und dabei Äußerungen der Beamten aufgezeichnet zu haben, ist umstritten, unter welchen Voraussetzungen dies eine Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gemäß § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB begründet (vgl. LG München I, Urt. v. 11.02.2019 – 25 Ns 116 Js 165870/17 einerseits und LG Kassel, Beschl. v. 23.09.2019 – 2 Qs 111/19 andererseits).

LG Aachen, 19.08.2020 – 60 Qs 34/20

Das Landgericht München I hatte die Auffassung vertreten, dass von einer Nichtöffentlichkeit des gesprochenen Wortes bereits dann ausgegangen werden kann, wenn die von den Polizeibeamten gesprochenen Worte ausschließlich an eine einzelne Person gerichtet gewesen sind und nicht – wie etwa bei polizeilichen Durchsagen – an die Allgemeinheit.

Aber auch das Landgericht Kassel war zunächst von der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes ausgegangen, hatte dann sich aber der Konstruktion einer faktischen Öffentlichkeit bemüht.

In beiden Fällen ging es aber eher um das Tatbestandsmerkmal der Vertraulichkeit als um die Frage, ob der Äußerung wegen des Schutzgutes des Persönlichkeitsreichts und der Privatsphäre überhaupt der strafrechtliche Schutz grundsätzlich zukommen könnte.

Instruktiv in diesem Zusammenhang ist auch der Aufsatz von Reuschel in der NJW 2021 Heft 1 Seite 17ff, in dem er über „Gestreamte“ Aufnahmen von Polizeibeamten im Straf- und Gefahrenabwehrrecht – dort allerdings im Zusammenhang mit Coronademonstrationen nachdenkt.

Für Rechtssicherheit könnte daher allenfalls eine Reform des § 201 StGB sorgen, der die Grenzen der Strafbarkeit klar benennt und abgrenzt.

Für Menschen, die tatsächliches oder vermeintliches polizeiliches Fehlverhalten aufzeichnen und teilen, droht hier die Gefahr einer Viktimisierung und damit einhergehend ein Vetrauensverlust für die Polizei- und Ordnungsbehörden. Dies kann, gerade unter Berücksichtigung der schnellen Verbreitung von Inhalten über Social Media dazu führen, dass die Empörung über die Einleitung eines Strafverfahrens größer wird als über den Umstand, der Grund für die Anfertigung des Videos gewesen war.


Veröffentlicht von Roland Hoheisel-Gruler

Volljurist// Mediator // Dipl. Forstwirt (univ.)//Hochschullehrer

3 Kommentare zu „Köln: Ein Video, ein Disziplinarverfahren – und ein Strafverfahren gegen Filmende

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