Stress und familiäre Konfliktsituationen

Der heutige Netzfund befasst sich mit Familienkonflikten und Stress:

Quelle: Family Conflict and Stress – ADR Times

Hier werden recht anschaulich die verschiedensten Konstellationen aufgezeigt, in denen es familiäre Konflikte geben kann. Dabei geht der Blick weiter als von klassischen Trennungs- und Scheidungskonflikten.

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Tatsächlich sind es verschiedene Rollen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten, die hier mit verschiedenen Vorstellungen aufeinander treffen. Anders als in sonstigen Konfliktsituationen müssen hier weitere Rahmenbedingung besonders beachtet werden.

Zunächst ist eine Familie ein eigenes Soziotop mit eigenen Regeln, die ihrerseits wiederum hinterfragt werden – oder Anpassungen verlangen. Dabei kann die sozio-kulturelle Prägung eine wichtige Rolle spielen. Ist die Familie autoritär oder libertär geprägt, gibt es einen ausgeprägten patriarchalischen Kern oder wird auf gleichberechtigte Teilhabe gesetzt. Wie sieht es mit religiösen Wurzeln aus? Spielen diese oder andere kulturelle Hintergründe eine wichtige Rolle und werden diese Rahmenbedingungen akzeptiert, für sakrosankt erklärt oder kritisch hinterfragt oder gar in Zweifel gezogen?

Dann bringt es der innerfamiliäre Konflikt in der Regel mit sich, dass ein solcher mit mehr Emotionen ausgetragen wird als ein Konflikt mit Dritten. Dies wiederum erklärt sich auch aus der dritten Voraussetzung: Der tatsächlichen räumlichen Nähe der Konfliktbeteiligten und der damit einhergehenden schwereren Möglichkeit, dem Konflikt durch Ausweichen zu entgehen.

All dies begünstigt Stress-Faktoren, die verstärkend auf einen solchen innerfamiliären Konflikt einwirken können.

Deswegen ist es umso wichtiger, diesen Stress-Faktoren auch hinreichende Aufmerksamkeit zu widmen und für eine Atmosphäre zu sorgen, die dem Stress entgegenwirken kann. Das stellt eine besondere Herausforderung, dar, denn es muss darauf geachtet werden, dass nicht zur Stressvermeidung vorschnell Lösungen eingebracht und abgenickt werden, die jedoch im Ergebnis nur problemverlagernd aber nicht problemlösend wirken können.

Der oben zitierte Artikel nennt hier ADR-Techniken als einen möglichen Ausweg. Diesen ist – wie der Mediation – gemeinsam, dass sie kommunikativ versuchen, der Konfliktklärung einen breiten Raum einzuräumen und dabei jedem Konfliktbeteiligten die Möglichkeit einräumen, seine Position nicht nur darzustellen, sondern eben auch darauf zu setzen, dass in diesem Verfahren die Bedürfnisse hinter der Position herausgearbeitet und auch als solche zunächst einmal anerkannt werden.

Das verlangt natürlich von jeder Konfliktpartei, dass sie sich ihrerseits dafür öffnen kann, das, was für die eigene Befindlichkeit als wichtig erkannt wird, auch der anderen Konfliktpartei zuzugestehen. Dieser Schritt ist nicht immer einfach. Es geht nämlich nicht darum, Recht zu haben oder Recht zu bekommen, sondern einen Konflikt zu lösen – und dabei die Rollen aller Beteiligten einzuordnen und wechselseitig die jeweilige Sicht auf die Dinge zunächst einmal anzuerkennen. Damit ist noch lange nicht gesagt, dass mit dieser Anerkennung auch eine uneingeschränkte Akzeptanz einer Position einhergehen muss.

Wenn dieser (gedankliche, emotionale und oftmals auch rollenbasierte) Kurzschluss überwunden ist, ist das Feld bereitet, auf dem lösungsorientiert gearbeitet werden kann – bevor der Konflikt eskaliert und die Gräben tiefer werden.

Veröffentlicht von Roland Hoheisel-Gruler

Volljurist// Mediator // Dipl. Forstwirt (univ.)//Hochschullehrer

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