Antidiskriminierungsgesetz in Baden-Württemberg: Das Dilemma des Innenministers

Ein Antidiskriminierungsgesetz steht in Baden-Württemberg im Koalitionsvertrag. Nach Willen der Koalitionäre soll dieses Projekt schnell angegangen werden. Die CDU verspricht nun, wie die taz schreibt, es werde nicht so schlimm wie in Berlin.

Quelle: Antidiskriminierungsgesetz in BaWü: Kein Gesetz Berliner Art – taz.de

Das ist ein doppeltes Dilemma, in das sich der Innenminister Thomas Strobl von der CDU hier mannövriert hat:

Zum Einen ist ihm daran gelegen, sich wieder mit den Polizeigewerkschaften gut zu stellen, zumal erst in den vergangenen Tagen die DPolG hier mit harten Bandagen aufgetreten war und von einem Vertrauensverlust sprach, der nur schwer zu kitten sei.

Auf der anderen Seite hat sich das Berliner LADG durchaus zu einem Erfolgsmodell gemausert. Ich hatte hierzu bereits etwas aufgeschrieben.

Es rächt sich nun, dass die CDU im vergangenen Jahr auf den populistischen Zug der Gewerkschaften aufgesprungen war und deren Erzählung vom Generalverdacht und der Beweislastumkehr kritiklos übernommen hatte. Beides ist erwiesenermaßen falsch. Das Gesetz verfolgt weder einen Generalverdacht gegen die Polizei noch wurde hier erstmals und neu eine Beweislastumkehr zu Lasten der Polizei eingeführt. Ich hatte das seinerzeit für PolizeiGrün in einem längeren Text ausführlich dargelegt und begründet.

Ein Blick in die Gesetzesmaterialien und eine nähere Befassung mit den Hintergründen hätte damals schon gut getan. Jetzt ist es schwierig, aus dieser Nummer wieder rauszukommen, etwas gleiches, was sichtlich Erfolg zeitigt, auf den Weg zu bringen – und gleichzeitig sich vom Erfolgsmodell nachhaltig zu distanzieren.

Um was geht es? Baden-Württemberg soll ein Gesetz bekommen, mit dem Diskriminierung durch den Staat und seine Organe geächtet wird und Opfer die Möglichkeit erhalten, hier Rechtsschutz zu erlangen. Weil die Kräfte zwischen Staat und Bürger:innen ungleich zu Lasten letzterer verteilt sind, empfiehlt es sich Beweiserleichterungen, wie man sie aus dem Zivilprozess beispielsweise bei einstweiligen Anordnungen und einstweiligen Verfügungen kennt, für diese Fälle einzuführen.

Um die Gunst der Polizeigewerkschaften zu buhlen – was die DPolG der CDU in abenteuerlicher sexistischer und menschenverachtender Weise in Bezug auf den Koalitionsvertrag nachgesagt hatte – dürfte kein Erfolgsmodell sein.

Vielmehr sollte die Gunst der Stunde genutzt werden und eine breite öffentliche Debatte über das Gesetzesvorhaben in Gang gebracht werden. In den Anhörungen könnte Platz sein, mit den benannten und kommunizierten Vorurteilen aufzuräumen. Gleiches gilt für eine breit angelegte Debatte – nicht nur mit den Polizist:innen, sondern mit allen Beamt:innen und Tarifbeschäftigten der öffentlichen Hand.

Weil Baden-Württemberg ein Flächenstaat ist und die Kommunen und Landkreise eine wichtige und zentrale Aufgabe in der öffentlichen Verwaltung einnehmen, gilt es, mit allen Betroffenen offen und konstruktiv zu kommunizieren.

Die Ängste von der Beweislastumkehr und des Generalverdachts kommen ja nicht von ungefähr: Soweit hier dienstrechtliche Themen berührt sind, gehört es zur Aufklärung und Diskussion darüber. Da dürfen keine Fragen mehr offen bleiben. Ob und inwieweit diese Fragen auch für andere Themenstellungen mit instrumentalisiert werden könnten, bleibt abzuwarten.

In Berlin 2020 konnte man auf den letzten Metern des Gesetzgebungsprozesses sehen, dass die Akteuere im Abgeordnetenhaus und im Senat offenbar von der Wucht des Gegenwindes überrascht wurden. Es war ein passendes Thema zu den Personalratswahlen – und ein gefundenes Fressen für konservative Politiker:innen, hier dem rot-rot-grünen Senat in Berlin zu zeigen, was eine Harke ist. Die damals ausgesprochenen Drohungen von Innenpolitikern aus anderen Ländern, keine Beamten mehr nach Berlin zu entsenden, sollte Eindruck machen: Substanz hatten diese Drohungen keine. Gleiches gilt für die offenen Briefe, wie sie beispielsweise die GdP-Funktionäre verschickt hatten.

Die Schäden, die diese Stimmungsmache nun angerichtet hat, sind schwer zu beseitigen. Es steht zu wünschen, dass das Gesetzesvorhaben gründlich beraten und umfassend öffentlich diskutiert wird – und dabei wirklich ernsthaft in der Sache gerungen wird, um eine überfällige Lücke zu schließen.

Veröffentlicht von Roland Hoheisel-Gruler

Volljurist// Mediator // Dipl. Forstwirt (univ.)//Hochschullehrer

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