Polizeigewalt und Racial Profiling waren vor einem Jahr ein großes Thema, und so muss man den Artikel der Tagesschau wirklich zweimal in Augenschein nehmen, um sich zu vergegenwärtigen, ob er wirklich aktuell ist und sich tatsächlich wenig getan haben könnte.

Quelle: Streit um Studie: Wer schaut auf Rassismus bei der Polizei? | tagesschau.de
Tatsächlich gibt es ja nun diese berühmte Studie, die bei der DHPol in Münster läuft und bei der im Oktober mit den Befragungen gestartet werden soll. Daneben gibt es noch mehr Studien, die sich mit polizeilichen Themen befassen.
Es ist also nicht so, dass nicht geforscht wird: Nur wird eben dieses eine Thema – nämlich: gibt es einen strukturell bedingten Rassismus in den Polizeien des Bundes und der Länder – weiträumig umfahren.
Es wäre zu kurz gesprungen, die jetzt laufenden Studien als Placebos abzutun, oder als Studien, deren Architektur von vorneherein so begrenzt wäre, dass die Ergebnisse allenfalls erwartbar ausfallen. Aber sie schleichen eben doch wie die Katze um den heißen Brei.
Dieser ist – um bei dem Bild zu bleiben – so heiß, dass sich die Katze nicht nur die Pfoten und ihr Maul verbrennen würde.
Auf der anderen Seite ist es natürlich schwer, ohne eine valide Datenbasis überhaupt etwas sagen zu können. Es gibt aber zahlreiche Hinweise – wie zum Beispiel die Zwischenergebnisse zur Studie zur Polizeigewalt an der Ruhruniversität in Bochum und Erfahrungsberichte von Polizist:innen, die nahelegen, dass es sowohl persönliche als auch strukturelle Defizite gibt, die Rassismus und Gewalt begünstigen können.
Betrachten wir zunächst die persönlichen Defizite: Hier könnte man es sich leicht machen und diese Polizist:innen als Einzelfälle und schwarze Schafe aus der Herde aussortieren. Dagegen sprechen aber zwei Punkte: Zum Einen sind es viel zu viele Einzelfälle, die in letzter Zeit – und damit auch nach der Debatte um die große Polizeistudie – publik geworden sind. Und diese persönlichen Defizite stellen eben auch die Frage, ob es sich hierbei um bislang Menschen handelt, die bislang unerkannt eine rassistische Einstellung pflegen oder ob diese durch dienstliche Erfahrungen eine solche Einstellung gewonnen haben.
In jedem der beiden denkbaren Möglichkeiten liegen aber auch strukturelle Defizite im Bereich des Möglichen: Warum werden solche Einstellungen nicht detektiert – oder was kann eine solche Radikalisierung im Dienst fördern? Und gleichermaßen – welche Rahmenbedingungen und Möglichkeiten braucht es, um solchen Einstellungen weder die Chance zur Entfaltung noch zum Entstehen zu geben.
Darüber hinaus halte ich es für wichtig, dass es die Fürsorgepflicht des Dienstherrn erfordert, dass alles in seiner Macht stehende getan wird, die Polizist:innen resilient zu machen und auch in dieser Weise zu erhalten. Der in die Öffentlichkeit getragene Schluss: Aufdeckung – Disziplinarverfahren – im Übrigen: „Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen, wir haben die Lage im Griff.“ Vielmehr muss sich – eine frühzeitige Detektion vorausgesetzt, der Dienstherr um die Resilienz seiner Beamt:innen Gedanken machen und dies auch umsetzen.
Damit bekommen auch diese so genannten persönlichen Defizite eine strukturelle Note.
Bleiben die mehrfach benannten strukturellen Defizite: Die Untersuchungskommission in Hessen zu rechtsradikalen Chats hat aufgezeigt, dass es in der Organisation der Polizei Verbesserungsbedarfe gibt. Auch werden Möglichkeiten benannt, wie Polizist:innen Möglichkeiten haben könnten, hier außerhalb der dienstlichen Hierarchien Ansprechpartner:innen zu finden – sei es, um ein Augenmerk auf problematische Beobachtungen im Dienst zu richten – oder aber, um über Supervision erkannten oder erkennbaren bedenklichen Entwicklungen entgegen zu wirken.
Rassismus ist ein vielschichtiges Problemfeld – und es ist es wert, genauso vielschichtig erforscht zu werden, damit am Ende Gutes wissenschaftlich fundiert ist und Schwachstellen auf wissenschaftlicher Basis angegangen werden können.