Endlich ist sie da – die lange erwartete Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Sachen Löschung von Beiträgen auf Facebook, wenn auch zunächst nur in Form der Pressemitteilung:
Gleichwohl ist diese Entscheidung bedeutsam:

Denn der Bundesgerichtshof hatte abzuwägen zwischen dem Recht des Internetnutzers, der gesperrt wurde und dem digitalen Hausrecht der Plattform – hier war es facebook.
Dabei stellte das Gericht nun heraus, dass es der Plattform unbenommen sei, in den AGB Regelungen aufzustellen, die Kommunikationsstandards vorgeben. Dies sei von dem digitalen Hausrecht gedeckt. Auch sei es unbedenklich, wenn die Plattform gegen Inhalte vorgehe, die ihrerseits nicht strafbar sind.
Der BGH hat hier darauf hingewiesen, dass die kollidierenden Grundrechte der Parteien – auf Seiten der Nutzer die Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, auf Seiten der Beklagten vor allem die Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG – zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so in Ausgleich zu bringen seien, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden.
Diese Abwägung ergibt, so der BGH, dass der Plattformbetreiber grundsätzlich berechtigt sei, den Nutzern ihres Netzwerks die Einhaltung bestimmter Kommunikationsstandards vorzugeben, die über die strafrechtlichen Vorgaben (z.B. Beleidigung, Verleumdung oder Volksverhetzung) hinausgehen.
Due Abwägung erlaubt den Plattformbetreibern auch, sich das Recht vorzubehalten, bei Verstoß gegen die Kommunikationsstandards Beiträge zu entfernen und das betreffende Nutzerkonto zu sperren.
Dennoch haben die Kläger:innen, deren Beiträge gelöscht worden waren und die zeitweise von facebook gesperrt worden waren, obsiegt.
Wie kommt das?
Der BGH muss, da die Grundrechte nicht unmittelbar gelten, diesen über die Anwendung des AGB-Rechts zur Geltung verhelfen. Deswegen ist § 307 BGB die maßgebliche Norm, wenn es um die oben skizzierten Abwägungsfragen geht. Hier sah der BGH es nun für erforderlich an, dass für einen interessengerechten Ausgleich der kollidierenden Grundrechte und damit die Wahrung der Angemessenheit im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB es jedoch erforderlich sei, dass sich der Plattformbetreiber nicht nur die Kommunikationsrichtlinien vorgibt. Vielmehr sei es zu verlangen, dass sich dieser in seinen AGB – zum Ausgleich des Löschungs- und Sperrungsrechts auf seiner Seite – gegenüber den Nutzer:innen Verpflichtungen in diesem Zusammenhang unterwirft.
Der BGH hat verlangt, dass die Plattformbetreiber sich in ihren Geschäftsbedingungen verpflichtet, den betreffenden Nutzer über die Entfernung eines Beitrags zumindest nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos vorab zu informieren. Dazu müsse ihm der Grund dafür mitgeteilt werden. Schließlich bedarf es auch einer Möglichkeit zur Gegenäußerung. Diese muss eingeräumt werden und bei einer Neubescheidung Berücksichtigung finden.
Der BGH meint, auf diesem Wege einen Ausgleich zwischen den grundrechtlich geschützten Positionen, die von der Rechtsprechung bei der Anwendung des Rechts zu beachten sind, hinreichend hergestellt zu haben.
Die jetzige Entscheidung setzt eine Debatte fort, über die ich im Sammelband zur Cyberkriminologie geschrieben habe. Dort habe ich mich unter dem Titel „Das Internet ist kein (grund-)rechtsfreier Raum“ mit dieser Thematik näher befasst.
2 Kommentare zu „Meinungsfreiheit im Internet und das digitale Hausrecht – BGH hat entschieden“
Kommentare sind geschlossen.