Der Bundesgerichtshof hat das lang erwartete Urteil zu den facebook-Sperren und Löschungen von Beiträgen gefällt.

Die wesentlichen Grundzüge habe ich hier aufgeschrieben.
Auf den ersten Blick scheint es ein ausgewogenes Urteil zu sein, ja fast salomonisch zu nennen. Denn es gewährt den Plattformbetreibern ein großzügiges digitales Hausrecht. Auch wenn das Grundrecht aus Art. 5 GG nicht unmittelbar gilt, so ist dies wegen der herausragenden Stellung der Betreiber mittelbar zur Geltung zu bringen. Das, so hat der BGH herausgestellt, geschieht über die Möglichkeit, das Hausrecht in AGB unterzubringen. Auf der anderen Seite, so der BGH, ist aber auch die Grundrechtsposition der Plattformbetreiber zu beachten. Das Ergebnis ist dann in der Abwägung zu finden – das Stichwort heißt hier praktische Konkordanz.
Doch gibt das Urteil den Nutzer:innen nun Steine oder Brot? Im entschiedenen Falle haben die Kläger:innen nun letztlich obsiegt – aber nicht, weil ihrer Meinungsfreiheit ein überwiegendes Gewicht zukommen würde oder weil ihre Äußerungen die Schwelle der Strafbarkeit nicht erreicht hätten.
Der Sieg beruht darauf, dass der Bundesgerichtshof bei Anwendung des § 307 BGB zur Auffassung gelangt, dass es eines Mechanismus bedürfe, der die Rechte der Betroffenen hinreichend berücksichtige. Wenn schon die Grundrechte mittelbar gelten, dann – so der BGH – sollte auch das Verfahren um eine Löschung oder Sperrung so ausgestaltet sein, wie man es von einem richtigen Verwaltungsverfahren kennt: Das bedeuetet, dass die Betroffenen vor einer sie betreffenden Entscheidung nicht nur informiert werden müssen, sondern ihnen auch das Recht zu einer Stellungnahme einzuräumen ist. Das entspricht der Anhörung nach dem VwVfG.
Das mag für die Praxis sich gut anhören, doch es bleiben Fragen: Denn die Plattformbetreiber sind bestrebt, ihr digitales Hausrecht auch durchzusetzen. Sollte diese Anhörung also nicht zu einer bloßen Farce verkommen, dann braucht es valide Informationswege, darüber hinaus angemessene Fristen und eine echte und justitiable Berücksichtigung der Gegendarstellung. Damit aber bedürfe es eigentlich auch der Begründung einer Sperr- oder Löschanordnung.
Ein weiteres Problem stellt sich, wenn es um Inhalte geht, die strafbar sein können – oder die Rechte Dritter verletzen. Müsste dann nicht eine Quarantäne für solche Beiträge bis zur Klärung möglich sein? Oder kann bei einer anzunehmenden Gefahr doch unverzüglich gelöscht werden? Falls ja – wie lange dauert dann die Wiederherstellung in einer schnelllebigen digitalen Zeit?
Diese BGH-Entscheidung gibt nun zunächst mal eine Richtung vor. Sie zeigt auch, ohne dass es vermutlich die Intention des Gerichts war, dass den Plattformbetreibern quasi-staatliche Befugnisse kraft eigener Marktstellung zukommen und dass im Zivilrecht sodann Anlehnungen an das Verwaltungsrecht gemacht werden müssen, um zu einem ausgewogenen Ergebnis zu kommen.
Diese Entscheidung ist also vermutlich erst der Anfang und nicht der Endpunkt bei der Frage, ob das Internet nun ein (grund-)rechtsfreier Raum ist oder nicht.
Die jetzige Entscheidung steht in der Fortsetzung einer Debatte, über die ich im Sammelband zur Cyberkriminologie geschrieben habe. Dort habe ich mich unter dem Titel „Das Internet ist kein (grund-)rechtsfreier Raum“ mit dieser Thematik näher befasst.