Sprechen und Hören – das sind wohl nach allgemeinem Verständnis die wesentlichen Elemente einer funktionierenden Kommunikation.

Der Frühromantiker Novalis sah hierin noch eine recht eindimensionale Angelegenheit. Der oder die Sprechende auf der einen Seite und der oder die Hörende auf der anderen Seite. Dabei verglich er den Akt des Sprechens mit dem des Befruchtens, den des Hörens mit der Empfängnis. Neben der Tatsache, dass er hiermit dem Alltäglichen Sprechen und Hören eine geradezu erotische Bedeutung beimisst, ist dieses Zitat nur in dessen Verständnis eines universalen Bildungsgedankens:
„Wir sind auf einer Mission: Zur Bildung der Erde sind wir berufen“
Novalis
Er entwickelte so den Gedanken einer romantischen Universalpoesie, nach der der Mensch sich dem Idealzustand einer Harmonie von Mensch und Natur annähere. Vor diesem Hintergrund wird die Kommunikation zwischen Menschen dem Zeugungsakt quasi gleichgestellt.
Was hat dies nun mit den Fragen rund um die Mediation zu tun?
Mediation ist ein Konfliktlösungsinstrument, das darauf aufbaut, dass Konflikte zwischen Menschen auf kommunikativem Wege gelöst werden können. Das baut also zunächst auf den beiden Elementen Sprechen und Hören auf.
Allerdings ist die Kommunikation zwischen Menchen vielschichtiger, als wie Novalis hier anklingen lässst: Bei den Begriffen Befruchten und Empfangen handelt es sich ja von dessen Verständnis immer auch um eine aktive und eine passive Rolle: Das Befruchten findet aktiv, die Empfängnis passiv statt. Dieses Rollenverständnis kann aber bei einer Mediation nicht funktionieren. Mediation ist gerade nicht dafür geeignet, eine Konfliktpartei in der aktiven und die andere in einer passiven Rolle verharren zu lassen. Hier geht es vielmehr darum, dass ein Austausch auf Augenhöhe stattfindet. Es geht mehr um Interaktion zwischen den Mediant:innen. Die Rolle der/des Mediators in diesem Zusammenhang muss daher darauf gerichtet sein, den Austausch zu fördern und dabei auch Sorge zu tragen, dass das Gesprochene nicht nur gehört, sondern auch verstanden wird. Das Verständnis, also die „gleiche Sprache“ und die Beachtung nonverbaler Elemente beim Austausch ist hierbei also wesentlich.
Es lässt sich also feststellen, dass Novalis mit diesem Satz darauf abzielt, dass Befruchtung und Empfängnis nur dann funktionieren, dass beide Parteien darauf auch eingestellt sind und in diesem Kontext miteinander harmonieren. Damit umschreibt er eine wesentliche und wichtige Funktion, die für eine gelingende Mediation erforderlich ist. Den weiteren Part, nämlich die wechselseitige Interaktion sowie die darüber hinaus reichenden Elemente der nonverbalen Kommunikation hat er nicht bedacht.
Musste er auch nicht: Als Schöpfer der „blauen Blume“ und Romantiker kann sein Werk für das Verständnis moderner Konfliktlösungen herangezogen und seinerseits – um bei seiner Begrifflichkeit zu bleiben – fruchtbar gemacht werden. Wenn der von Novalis angestrebte Idealzustand der Harmonie von Mensch und Natur schon nicht erreicht wird, so kann Mediation dabei unterstützen, eine Art Harmonie (im Sinne von Wohlklang) in Bezug auf den dann gelösten Konflikt (der sich als Disharmonie in den Weg stellt) zwischen den an diesem Konflikt beteiligten Menschen herzustellen.