Confirmation Bias und Mediation- oder warum Hinterfragen wichtig ist

Es kann durchaus vorkommen, dass Mediationsverfahren, die erwartungsvoll gestartet sind, in einer Sackgasse enden oder das gefundene Ergebnis nicht die erhoffte win-win-Situation zeitigt.

confirmation bias

Ein Grund, warum das so sein kann liegt nicht darin, dass Mediation viel verspricht und wenig hält, wie gelegentlich zu vernehmen ist. Vielmehr können Wahrnehmungsverzerrungen oder cognitive biasses dazu geführt haben, dass sich die Mediant:innen mit bestem Wissen und Gewissen auf einen Holzweg haben leiten lassen.

Eine wesentliche Wahrnehmungsverzerrung in diesem Zusammenhang ist Confirmation Bias – auch Bestätigungsfehler genannt. Was hat es damit auf sich? Informationen werden selektiv wahrgenommen und so ausgewählt und interpretiert, dass diese den eigenen (Wunsch-)Vorstellungen am ehesten entsprechen.

Peter Wason hat in den 60er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts dieses Phänomen erforscht. Instruktiv dazu ist sein Aufsatz „Reasoning about a rule“ der im Quarterly Journal of Experimental Psychology, Band 20, 1968 erschienen war.

Demnach entsteht ein Bestätigungsfehler immer dann, wenn Annahmen in das eigene Bild sich am Besten einfügen lassen – also der eigene Standpunkt bestätigt wird. Das führt dann zu einer Verzerrung, wenn die Grundannahme selbst auf einem Fehler beruht. Das können zum Beispiel Vorurteile oder Werturteile sein, auf die aufgebaut wird.

Auch im Mediationsprozess können also die Mediant:innen dann solchen Bestätigungsfehlern aufsitzen. Den Gegenentwurf zur Annahme und Vertiefung eigener Standpunkte liefert der Ansatz von Karl Popper mit der Theorie der Falsifikation. Demnach kommt es nicht darauf an, die eigene Sichtweise bestätigt zu bekommen – und mit einem „voilà!“ zu triumphieren, sondern darauf, dass es keine Alternativen gibt, die diese Sichtweise widerlegen.

Das ist also die große Herausforderung in der Mediation: Das Hinterfragen nicht nur von Positionen, sondern auch die kritische Herangehensweise an die Bedürfnisse und die hieraus ableitbaren Lösungsansätze. Dabei kommt es entscheidend darauf an, dass eben nicht nach Bestätigungen für die Richtigkeit gesucht wird, sondern eben gleichermaßen und vertiefend die Alternativen entgegengehalten werden können.

Ein eindrückliches und durchaus tragisches Beispiel für ein confirmation bias ist das Schicksal von Alfred Dreyfus. Die nach ihm benannte Affäre zeigt, wie sehr ein vorgefertigtes Bild zu bestätigen versuchte. Grundannahme war, dass sein muss, was sein kann und kein Zweifel daran bestand, dass es so sein konnte wie es schien. Erst der Artikel von Emile Zola „J’accuse“ vermochte eine Wende einzuleiten. History Today hat eine lesens- und bedenkenswerte Zusammenfassung veröffentlicht:

Quelle: The Dreyfus Affair | History Today

Nichts ist so, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint. Gerade in der Mediation bietet das Hinterfragen von Positionen und Bedürfnissen die Gelegenheit, der Gefahr einer Bestätigungsverzerrung zu vermeiden.

Veröffentlicht von Roland Hoheisel-Gruler

Volljurist// Mediator // Dipl. Forstwirt (univ.)//Hochschullehrer

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