Nach den grundsätzlichen Überlegungen, dass das Internet durchaus als gefährlicher Ort bezeichnet werden kann, wenn die polizeirechtliche Defintion einerseits und die Wertung der Strafprozessordnung andererseits als Schablone darüber gelegt wird, schließt sich nun die Frage an, was diesen virtuellen Ort zu einem gefährlichen macht.

Damit einher geht die Frage, wie das Zusammentreffen von Menschen in virtuellen Welten – und hier auf Social-Media und Gaming-Plattformen – stattfindet. Wesentlich ist hier, dass dieses Zusammentreffen auf Kommunikation unter den Beteiligten – vor 20 Jahren als das damals hippe Web 2.0 gestartet – hat sich die soziale Interaktion zwischenzeitlich ins Netz verlagert. Während in der realen Welt getreu dem Titel des Strauß-Walzers das Motto „Trau, schau, wem!“ seine Berechtigung findet, ist es im Netz ungleich schwerer, hier sonst geläufige der Vertrauensbildung zu gewinnen. Der Ruf nach einer Klarnamenpflicht beispielsweise erscheint angesichts der realen Gefahren, die im Netz drohen können, an dieser Stelle eher putzig.
Sicher ist, dass die Internet-Kommunikation eben darauf beschränkt ist, dass sie losgelöst vom Ort erfolgt und gegebenenfalls zudem assynchron verläuft. Eine Möglichkeit, Profile von Teilnehmer:innen in einem Chat oder einer Gruppe zu verifizieren, bestehen faktisch nicht. Die Frage, ob ein Profilbild den Menschen abbildet, den es vorgibt, ist auch eher eine theoretische.
Faktisch sind die Menschen, die Social-Media- oder Gaming-Plattformen zu einem Teil ihres sozialen Lebens machen, auf ihr Bauchgefühl angewiesen, wem sie trauen oder nicht. Und hier liegt nun ein entscheidender Unterschied zum real life: Ob jemand einen Ort aufsucht oder meidet, hängt von vielen Faktoren ab: spricht eine:n die Kneipe an oder stößt sie ab? Bevorzugt jemand Clubs oder Diskotheken oder Cafés, das Programmkino oder ein Cineplex? Gesangverein oder Musikkapelle? Sport in Verein oder alleine? Motor oder Fahrrad? Die Pluralität der Gesellschaft spiegelt sich in der Vielfalt der Angebote wieder. Ein böses Wort aus jungen Jahren besagte, dass man über das Angebot einer Diskothek mit nach eigenem Dafürhalten lausiger Musik froh sein müsse, weil auf diese Art und Weise auch die Leute, die darauf stehen, von der eigenen Freizeitgestaltung ferngehalten werden würden. Die dort Verkehrenden dürften das im Hinblick auf die Musikkneipe, in der das Vorurteil gepflegt wurde, übrigens ähnlich gesehen haben – das aber nur am Rande.
Eine solche Vielfalt findet sich aber im Netz aufgrund der quasi-Monopolstellung von Plattformanbietern eher weniger. Und selbst die so genannten Echokammern und Filterblasen im Netz sind durchgängiger – zumindest was die Chance betrifft, unvermittelt auf kriminelle Menschen zu treffen.
Wie bereits herausgestellt, ist das Internet ein gefährlicher Ort, der zudem von der Abwesenheit sichtbarer öffentlicher Ordnungsmacht geprägt ist. Das Aufeinandertreffen von Menschen auf den Plattformen ist daher darauf angewiesen, dass das eigene Gefühl nicht trügt. Schon alleine deswegen ist die Kommunikation im Netz Gefahren ausgesetzt, die im real life Vergleichbares suchen.
Damit ist aber nicht die Kommunikation per se gefährlich – aber sie findet quasi in einem Haifischbecken statt. Social-Media- und Gaming-Plattformen stehen kriminellen Menschen sperrangelweit offen. Sie können sich dort relativ unbehelligt bewegen und sich ihre Opfer suchen. Ansprache und Interaktion zwischen Täter:innen und ihren Opfern erfolgen ausschließlich kommunikativ und in der Regel größtenteils innerhalb der auf den Plattformen vorgegebenen Kommunikationskanälen. Ein Wechsel des Kanals findet dann statt, wenn Täter:innen das potentielle Opfer dazu gebracht haben, mehr über sich zu erzählen und beispielsweise Telefonnummern und/oder Mailadressen bereitwillig preisgeben. Es gibt also plattformspezifische Kommunikationsmittel, die je nach dem mehr oder minder Gefahren bergen können. Dabei hängt es davon ab, ob und wie privacy-Einstellungen bereits default gesetzt sind – oder aber erst mühsam konfiguriert werden müssen. Zugangsbeschränkungen wie z.B. wirksame Alterskontrollen gehören ebenso dazu wie eine leichte Erreichbarkeit von Moderation eines Kanals oder einacher Meldewege.
Daneben ist aber das eigentlich entscheidende, dass die Menschen, die sich in diesen digitalen Räumen aufhalten, auch derer Gefahren bewusst sind und sich entsprechend in der virtuellen Welt auch bewegen können. Medienkompetenz heißt in diesem Zusammenhang eben auch und gerade: Die medienspezifischen und komminikativ begründeten Gefahren als solche zu benennen und die Kompetenzen nicht nur in der Anwendung, sondern auch und gerade in der Abwehr der spezifischen Gefahren zu stärken und die individuelle Resilienz zu forcieren.