Es ist immer wieder verwunderlich, dass dies tatsächlich ein Thema sein soll: Grund- und Menschenrechtsbindung in derPolizeiarbeit ist nämlich nach meiner Lesart eine Selbstverständlichkeit.

Doch es ist immer wieder vonnöten, dass auch im Rahmen von Reflexion und Selbstreflexion die Arbeit der Polizei aufs Neue geerdet und wieder ausgerichtet wird. Eigentlich könnte man es sich leicht machen und auf Art. 1 Abs. 3 GG verweisen, wonach die Grundrechte für alles staatliche Handeln als unmittelbar geltendes Recht an erster Stelle stehen.
Was bedeutet das nun?
Zunächst ist das Rollenverständnis zu klären: Polizei ist als Teil der Exekutive an der Stelle verortet, an der die Staatsgewalt mit den Bürger:innen unmittelbar und dirkekt in Verbindung tritt. Dabei ist genau zu differenzieren, welche polizeiliche Aufgabe eigentlich dem Grunde nach eröffnet ist. Das erklären nach dem föderalen Prinzip unseres Grundgesetzes die Landespolizeigesetze in den jeweiligen § 1. Erst wenn die Aufgabeneröffnung geklärt ist, kommt die Frage, was das nun im Einzelnen bedeutet, also welche Befugnisse im Einzelfall zur Verfügung stehen – und welche wie eingesetzt werden können oder müssen.
Deswegen kommen hier jetzt die Grund- und Menschenrechte ins Spiel: Vom Wortlaut des Grundgesetzes her als unmittelbar geltendes Recht – aber auch von der Haltung, die der Geist des Grundgesetzes abverlangt: Die Achtung der Menschenwürde derjenigen Menschen, mit denen die Polizei es im konkreten Einzelfall zu tun hat.
Das fängt meines Erachtens schon im Kleinen an: Das PGÜ – wie es im Polizeisprech heißt, umschreibt einen Begriff, der durch sein Neutrum bereits eine Entpersönlichung und Versächlichung in sich birgt. Versächlichung hat übrigens mit Versachlichung rein gar nichts zu tun sondern erschwert es vielmehr, den Menschen in dem Gegenüber als solchen – und damit als Träger:in von Grundrechten wahrzunehmen. Ein erster Schritt ist daher, die Sprache, die Verwendung findet, immer aufs Neue zu überprüfen und hier gegebenenfalls auch entsprechend nachzusteuern und Wachsamkeit zu üben.
Daraus folgt nun, dass aus der Haltung, die sich aus dem Verständnis einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung ergibt, die Achtung der Menschenwürde an erster Stelle steht: Gleich, ob man es mit Menschen zu tun hat, die sozial am Rand stehen oder notorische Kriminelle sind oder einem anderen Kulturkreis angehören oder über wenig Bildung verfügen oder oder oder oder…… Das macht es in der Praxis nicht gerade einfach – insbesondere dann, wenn beruflich immer wieder auf die selben Menschen und die Problemlagen getroffen wird.
Das führt zu einem weiteren Punkt: Neben der Menschenwürde ist der Gleichbehandlungsgrundsatz ein zentraler Punkt im Konzert der Grund- und Menschenrechtsbindung: Gleichbehandlung bedeutet eben auch, Ansätze von möglicher Diskriminierung zu eliminieren. Dabei geht es nicht nur – wie beispielsweise in der Debatte um das LADG in Berlin immer wieder behauptet – um vorsätzliche und bewusst erniedrigende Diskriminierung, sondern eben und gerade auch um systemische Arten von Benachteiligung: Sei es Herkunft, Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung und vieles mehr. Und deswegen hängt es so sehr mit dem ersten Punkt zusammen: Wenn nicht der einzelne Mensch mit seiner ihm eigenen und unverbrüchlichen Menschenwürde gesehen und als solcher behandelt wird, sondern wenn irgend eine Schublade bedient wird, sind die Grund- und Menschenrechte in Gefahr.
Gute Polizeiarbeit – die sich auf die Grund- und Menschenrechte gründet – ist daher eine Arbeit, die sich permanent reflektiert, hinterfragt – und die Möglichkeiten bietet, eventuelle Fehlentwicklungen frühzeitig zu detektieren und – diesen Punkt halte ich am Ende für entscheidend: Den Menschen, die den Polizeiberuf ausüben, in die Lage versetzen, damit selbstbewusst und selbstbestimmt umzugehen, in eigenen schwierigen Situationen nicht alleine zu sein, sondern Möglichkeiten des Austauschs und der Supervision haben und die losgelöst von dienstlichen Zwängen über die immense Herausforderung, die ein wirklich anspruchsvoller Umgang mit den Grundrechten auch darstellt, reden können und sich immer wieder aufs neue in diesem Kontext rückversichern können.