Wir kennen dieses Geheimnis aus Art. 10 GG: Dort umfasst das Schutzgut gleich drei Geheimnisse auf einmal – neben dem Briefgeheimnis das Postgeheimnis und das Fernmeldegeheimnis. Letzteres ist dem Umstand geschuldet, dass der technische Fortschritt im 20. Jahrhundert erst Telefon, dann Fax und schließlich auch das Internet mit seinen Möglichkeiten und Gefahren beschert hat.

Allen dreien ist gemeinsam, dass sie an eine besondere Vertraulichkeit anknüpfen. Wir hatten ja bereits zu Beginn der Reihe herausgestellt, dass es bei unserem Betrachtungsgegenstand im Kern um den Schutz von Privatheit und Individualität geht – und der Schutz der personenbezogenen Daten eben ein besonderes Schutzgut neben dem Recht auf Privatheit darstellt. So hatte das auch die EuGRCh herausgestellt – die dem Datenschutz aus diesem Grunde einen eigenen Artikel neben dem Schutz der Privatheit beschert hatte.
Kommunikation ist besonders schützenswert – denn der Mensch lebt nicht für sich allein, sondern definiert sich und seine Individualität auch und gerade durch Austausch mit und in Abgrenzung von anderen Menschen. Diese Sozialbezogenheit auch der individuellen Persönlichkeit hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach herausgestellt. Dieser Sozialbezug verlangt eben auch Privatheit – einen Raum, in dem die Menschen sich mit anderen über private und intime Dinge austauschen können und sich dabei sicher sein, dass das, was in diesen Räumen besprochen und verhandelt und getan wird, diese auch nicht verlässt. Soweit so gut.
Weil diese Beschreibung der Privatheit hier nicht nur räumlich, sondern in erster Linie funktional zu verstehen ist, bedarf es dieses Schutzes auch und gerade dann, wenn diese Kommunikation und dieser Austausch nicht zur selben Zeit und nicht am selben Ort stattfindet – sondern eben auf Distanz, und hier je nach Übermittlungsmedium synchron oder asynchron.
Damit ist das Schutzgut des in Rede stehenden Geheimnisses umschrieben: Es geht zum Einen um die Inhalte – die als Geheimnis der besonderen Vertraulichkeit bedürfen – aber es geht auch um die Sicherheit und den Schutz des gewählten Übermittlungsweges und des gewählten Mediums – also wegen der besonderen Anfälligkeit der Distanzüberbrückung über die reinen Inhalte hinaus.
In Deutschland findet sich die Verbürgung des Briefgeheimnisses erstmalig in der Wahlkapitulation Josephs !. Diese wurde am 24. Januar (Jänner) 1690 in Augsburg ausgefertigt. Wahlkapitulationen waren Besoderheiten, die der Verfassungswirklichkeit des Reiches geschuldet waren: Das Deutsche Reich war eine Wahlmonarchie – die Kurfürsten hatten den König zu wählen. Deswegen hat sich die Gepflogenheit eingebürgert gehabt, dass die zu wählenden Könige schon im Voraus zu Zugeständnissen versprechen mussten, die dann in diesen Kapitulationen (capitulatio caesarea) vertraglich niedergelegt waren. Es waren also Regelungen, die die Machtausübung des zu wählenden Königs regelten und eben auch beschränkten. Im Gebiet des Deutschen Reiches blieb so das mittelalterliche Lehenswesen und die Verteilung von Macht auf den verschiedenen Ebenen der Lehenspyramide – und damit einhergehend eben auch ein weitgehendes Fehlen königlicher Territorialmacht außerhalb der eigenen Hausmacht – bezeichnend.
Die Wahlkapitulation Josephs I schrieb nun das Briefgeheimnis fest und stellte den Bruch desselben unter Strafe.
Bereits 1712 wurde in der preussischen Postordnung im Cap. VIII ein Passus zum Briefgeheimnis aufgenommen.

Nach der französischen Revolution erhielt das Briefgeheimnis in der Erklärung der Menschenrechte 1789 Verfassungsrang. Es folgten im Zuge der Verfasstheit der deutschen Staaten nach 1814 Kurhessen 1831, Württemberg 1843 und Baden 1845 mit einem verfassungsrechtlich garantierten Briefgeheimnis.
Nach der Paulskirchenverfassung war im Deutschen Reich nach 1871 das Briefgeheimnis einfachrechtlich geregelt. Die Weimarer Reichsverfassung schützte dieses Geheimnis in Art. 117 WRV. auf
Wie elementar dieses Geheimnis der vertraulichen und vor staatlichem Zugriff geschützer Kommunikation ist, ist daran zu erkennen, dass die Nationalsozialisten unmittelbar nach Machtergreifung und dem Reichstagsbrand dieses Geheimnis außer Kraft setzten.