Influencer:innen und Polizei – geht das?

Das Leben in virtuellen Räumen und dessen Wahrnehmung in der realen Welt ist manchmal ganz schön kompliziert. Das Phänomen, dass Menschen durch Aktivitäten in Social Media-Kanälen nicht nur berühmt werden können, sondern auch noch dazu Geld verdienen, ist wahrlich nicht neu. Auch die Tatsache, dass man sich gelegentlich die Augen reiben kann, was hier tatsächlich geboten wird und was ein unglaublich großes Publikum anzieht und begeistert, ist eines der Rätsel, die die Schnittstelle zwischen digitaler und realer Lebensumwelt mit sich bringen.

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Seien es nun Videos, die auf die bekannten Plattformen hochgeladen werden, oder Bilder und Schnipsel, gelegentlich mit mehr oder weniger Text – die Botschaften kommen nicht nur an, sondern werden auch verstanden.

Zu einem nicht unerheblichen Anteil an der Polularität der Protagonist:innen trägt auch der Umstand bei, dass hier nicht nur die Eindimensionalität eines Kommunikationsvorganges funktioniert, also von einem/einer Sender:in eine Botschaft ausgeht, die an eine Vielzahl von Empfänger:innen gerichtet ist, und bei der es auf den Rückkanal nicht einmal entscheidend ankommt, sondern dass allein die Zugehörigkeit zum Kreise derer, die in diesen Informationsfluss eingebunden sind, ein unsichtbares Band der Zusammengehörigkeit knüpft. Deswegen werden die Botschaften der Influencer:innen nicht nur auf- und wahrgenommen, sondern ihrerseits weiterverbreitet und bilden dann im jeweiligen Netzwerk einen weiteren Anlass zum informationellen Austausch. Dies trägt wiederum zur Steigerung des Bekanntheitsgrades bei …. und so weiter.

Nun gibt es auch Menschen, die im Berufsleben Polizist:innen sind und Social-Media-Kanäle mit Informationen jeglicher Art bestücken. Das ist die eine Fallgruppe, die wir uns ansehen wollen.

Und dann gibt es Bemühungen der Polizeibehörden, mit dieser Entwicklung Stand halten zu können und gleichfalls Informationskanäle über die sozialen Medien streuen.

Ein Grund, warum das Influencertum so gut funktioniert, liegt an der Personalisierung der Inhalte: Es geht nicht primär um das gezeigte Produkt oder die gezeigte Landschaft, sondern es geht um die Story dahinter: Der oder die Influencer:in erzählt uns eine Geschichte aus dem – tatsächlichen oder vermeintlich – privaten Leben und was der Gegenstand, der Inhalt, das Produkt, die Ferienlandschaft, die Heimat…. was auch immer damit zu tun hat. Erst die Verknüpfung der Inhalte mit der konkreten Person führt dazu, in der virtuellen Welt wahr- und ernstgenommen zu werden, und dann im Idealfall eine Fan:innen-Gemeinde um sich scharen zu können.

Hier liegen aber nun die Probleme für die Polizeibehörden:

Wichtig ist, dass sie auch im virtuellen Raum sichtbar sind und wahrgenommen werden (können). Dabei müssen sie sich auf das Spiel und die Regeln im Virtuellen einlassen: Storytelling ist auch hierbei unverzichtbar.

Die Herausforderung hierbei ist, dass dieses Storytelling dann am Besten funktioniert, wenn dieses von Protagonist:innen mit Wiedererkennungswert betrieben wird.

Gleichzeitig sind dem Staat und seinen Organen aber die Hände gebunden, wenn es um diese zwei miteinander schier unauflöslich verknüpften Themenfelder geht: Der Staat hat nämlich bei seinem Informationshandeln sich zurückzuhalten. Er ist darauf beschränkt, sachlich zu informieren und sich zu erklären. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im ersten Rundfunkurteil von 1961 führte aus:

. Der Rundfunk ist mehr als nur „Medium“ der öffentlichen Meinungsbildung; er ist ein eminenter „Faktor“ der öffentlichen Meinungsbildung.

Diese Rolle wird zwischenzeitlich nicht nur von den klassischen Medien wahrgenommen, sondern gerade und auch von den Social-Media-Plattformen in nicht unerheblichem Maße mitgestaltet.

So, wie aber das Bundesverfassungsgericht die Staatsferne der für die Meinungsbildung wichtigen Bereich des Rundfunks herausgearbeitet hatte, sind diese strengen Maßstäbe auch für behördliches Agieren in Presse, Rundfunk, Fernsehen und auch in Social Media anzuwenden.

Bereits 2015 hatte sich der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in der Ausarbeitung „Öffentlichkeitsarbeit von Polizeibehörden in sozialen Medien, vom 21. Juli 2015, WD 3 – 3000 – 157/15“ intensiv mit den verschiedenen Arten, Twitter für die polizeiliche Arbeit zu nutzen, auseinandergesetzt und deren rechtliche Grenzen erörtert.

Der Umstand, dass Polizeibehörden sich bei der Information der Öffentlichkeit Social-Media-Kanäle bedienen, stellt demnach keine Besonderheit dar.

Allerdings ist für die rechtliche Betrachtung von Kommunikationspflichten und Kommunikationsrechten darauf zu achten, dass, auch wenn im Internet keine anderen Regelungen gelten wir bei Bürger:inneninformationen über analoge Kanäle, doch der Aussagegehalt einer Äußerung hier in einem besonderen Kontext gesehen werden müssen.

Soweit also Storytelling in Uniform durch Identifiationsfiguren gelingen kann, ist dies bei Beachtung der Selbstbeschränkung aufgrund der engen Grenzen der staatlichen Informationsmöglichkeiten ein Gewinn für die Sichtbarkeit der Polizei im virtuellen Raum – und damit auch mehr als nur ein sichtbares Zeichen gegen die Verbreitung von Hass, Gewalt und Kriminalität – so dann auch der Rückkanal problemfrei funktioniert, also echte Kommunikation und Austausch auch tatsächlich stattfinden kann. (anonym, ohne tracking etc. aber das ist ein anderes Thema)

Bleiben noch diejenigen, die beruflich ihre Uniform tragen, aber auch online mit zum Teil erfolgreichen Seiten und Kanälen unterwegs sind – die aber eigentlich nichts mit dem Beruf zu tun haben, aber sich auch nicht immer ganz davon trennen lassen. So leicht es scheint, hier eine klare Linie ziehen zu wollen, so schwierig gestaltet sich dies in der Praxis:

Weil die Botschaften dann gut „rüber kommen“ wenn die Story, die erzählt wird, etwas privates an sich hat und ein Miterleben im Privaten ermöglichen muss, um erfolgreich sein zu können, wird sich der Umstand des beruflichen Tuns nicht ganz heraushalten lassen können.

Was aber, wenn dann diese Menschen nicht als Influencer:in XY angesprochen werden, sondern in ihrer Eigenschaft als solche Menschen, die auch zu hoheitlichm Handeln befähigt sind? Was ist wenn diese Menschen über ihren Account mit strafbaren Handlungen konfrontiert werden, wenn sie um Hilfe angegangen werden – wenn ein solches Angehen gleichzeitig einen Konflikt mit dem Legalitätsprinzip mit sich bringt, weil dahinter gleich ein dicker Anfangsverdacht in Bezug auf strafbares Handeln steht?

Diese Fragen sind noch ungelöst – in Gänze, davon bin ich überzeugt, braucht es insgesamt eine fundierte Strategie für SocialMedia-Arbeit, die die Personalisierung ein Stück weit mit tragen kann, auch wenn die Identität zwischen handelnder Behörde und für sie agierender Mensch gerade nicht gegeben sein darf. Da könnte vielleicht eine virtuelle Identität aushelfen können, in die dann ein richtiger Mensch quasi „schlüpft“ – wie es geht, kann man sich ja bei den verdeckten personalen Ermittlungen abschauen.

Dann muss der Informationsfluss spannend sein und sowohl sprachlich als auch in der Aufmachung die Codes der SocialMedia-Kultur abbilden und sich darin natürlich gerieren können.

Letztlich muss gelten: Information und staatliche Neutralität gehen vor dem Effekt und der Aufmerksamkeit.

Veröffentlicht von Roland Hoheisel-Gruler

Volljurist// Mediator // Dipl. Forstwirt (univ.)//Hochschullehrer